„Nicht ganz koscher“
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„Nicht ganz koscher“

Der Dokumentarfilm

Der Dokumentarfilm „Nicht ganz kosher“ wird am 8.7.13 im SWR Fernsehen um 23.30 Uhr gezeigt. (Filmausschnitt)

08.07.2013 – 23.30 Uhr – SWR: 613 religiöse Gebote und Verbote regeln den Alltag der Juden. Wie orientiert man sich an der verwirrend hohen Anzahl von Vorschriften und ihren vielen Ausnahmen? Wie lebt man „koscher“? „Koscher“ bedeutet aus dem Hebräischen übersetzt in etwa „als richtig geprüft“ oder „bestätigt“. Der jüdische Mensch unterzieht sich permanent dieser „Qualitätsprüfung“. Die Regisseurin Ruth Olshan hat jüdische Wurzeln, wuchs aber nicht mit der jüdischen Kultur auf. Auf der Suche nach ihrer eigenen jüdischen Identität geht sie humorvoll der Frage nach, was koscheres Leben eigentlich ist.

Ruth Olshan taucht tief ein in den facettenreichen jüdischen Alltag. Liberale und orthodoxe jüdische Familien und Rabbiner weihen sie in die Geheimnisse der koscheren Küche ein, in ein, den Außenstehenden kurios erscheinenden Umgang mit Hygiene, Bekleidung etc. – und sparen auch die Sexualität nicht aus. Die Filmemacherin erfährt und erlebt Überraschendes, Erstaunliches, Erheiterndes und vieles, was sie nachdenklich stimmt. Ein humorvoller Film über die Widrigkeiten und Weisheiten des jüdischen Lebens und eine persönliche Identitätssuche.

„Koscher“ bedeutet im übertragenen Sinne „rein“. Und für alles, was in der jüdischen Küche rein ist, gibt es ein Zertifikat: den Koscher-Stempel. Diese Tradition des Judentums, die Reinheit von Dingen zu prüfen, wendet Ruth Olshan in „Nicht ganz koscher“ auf ihre eigene jüdische Familiengeschichte an. Die Vorfahren der Regisseurin zogen ihre Spuren kreuz und quer durch Europa und wechselten dabei die Religion: Ihre Urgroßmutter trat aus Angst vor Pogromen zum Katholizismus über, ihre Mutter heiratete einen Juden und immigrierte mit ihm nach Israel. Die Regisseurin selbst wurde von Ihrer Oma vor der Immigration nach Deutschland heimlich getauft, besuchte erst den Jüdischen Kindergarten, dann die katholische Schule, feierte bei ihrer Oma Sabbat und sang im Advent Weihnachtslieder.

Um dieses Identitätswirrwarr zu lösen, befragt Ruth Olshan sowohl ihre eigene Mutter als auch Rabbiner, Gelehrte und andere jüdische Familien nach der Einhaltung der 613 jüdischen Lebensregeln und der eigenen jüdischen Herkunft. Dabei blättert sie auf sehr persönliche Weise eine dunkles Kapitel der europäischen Geschichte auf und steht letztlich der Frage gegenüber, ob jüdische Herkunft nach Pogromen und Weltkriegen noch beweisbar sein kann.

Die filmische Vernetzung biografischer Nachforschung und die Suche nach dem religiösen Leben pendelt zwischen tragischen und komischen Momenten. Der alles verbindende rote Faden ist die Frage nach dem koscheren Sein. Doch diese zu beantworten ist schwieriger als gedacht. So löchert Ruth Olshan zunächst die eigene Mutter und versucht, die mangelnde Konsequenz bei ihrer religiösen Erziehung zu verstehen, nur um festzustellen, dass das Schicksal auch banale Helfer hat. In ihrem Fall: die mangelnden Sprachkenntnisse der Mutter, die zu einer katholischen Schulerziehung führten. Auch bei der Oma, die sich nur noch selektiv erinnert, kommt sie zunächst nicht weiter. Jüdische Gelehrte geben ihr auf die Frage nach ihrem religiösen Status gleich mehrere, sich widersprechende Antworten – je nach Interpretation der Schriften. Dafür erfährt sie aber viel Wissenswertes zum jüdischen Leben: dass Thunfisch „koscher“ oder auch „super koscher“ sein kann, dass Rabbis am Purimfest Polonaise tanzen, dass Geschirr durch ein Bad einen Übertritt zum Jüdischen macht und dass Sex eine jüdische Familienpflicht ist.

Doch Rabbiner Rothschild wirft sie mit seinen Fragen letztlich auf sich selbst zurück: Was für eine Jüdin sie denn sein wolle? Eine moderne, eine doofe, eine zionistische Jüdin, eine intelligente Jüdin? Letztendlich muss sie die Frage nach ihrem eigenen koscheren Leben selbst beantworten und hat doch sehr viel dazugelernt – über die Vergangenheit und Gegenwart der deutsch-jüdischen Kultur und über sich selbst.

(Text, Foto: SWR/IndiFilm)

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