Chagall-Fenster Hadassah Ruben, Simeon und Levi

Chagall-Fenster in der Synagoge des Hadassah Krankenhauses in Ein Kerem: Ruben, Simeon und Levi (von links nach rechts)

Chagall sagte über diese Fenster: „In diesen Fenstern wollte ich das Mysterium und die Spiritualität zum Ausdruck bringen, die ich in Israel zutiefst empfinde. Auch nachdem ich dies zu erreichen suchte, habe ich noch immer keine Theorie für meine Arbeitsweise. Ich habe nicht versucht, irgendeiner Theorie zu folgen. Gott schuf den Menschen ohne eine Theorie, und Kunst wird am besten ohne eine Theorie hervorgebracht. Das einzige, was in unserer Macht liegt, ist für die Kunst zu arbeiten. Das übrige erledigt Gott.“

Chagall-Fenster Hadassah Judah, Zebulun und Issachar

Chagall-Fenster in der Synagoge des Hadassah Krankenhauses in Ein Kerem: Judah, Zebulun und Issachar (von links nach rechts)

Sie stellen die 12 Söhne Jakobs dar (Genesis Kapitel 35, Verse 22-26). Jakob selbst erhielt später von Gott den Namen Israel, aus dessen Nachkommen später die zwölf Stämme Israels hervorgegangen sind: „Die Söhne, die Lea geboren hatte, waren: Ruben, der Erstgeborene, Simeon, Levi, Juda, Issachar und Sebulon. Die Söhne, die Rahel geboren hatte, waren: Josef und Benjamin. Die Söhne von Bilha, der Dienerin Rahels, waren Dan und Naftali, die von Silpa, der Dienerin Leas, waren Gad und Asher.“

Chagall-Fenster Hadassah Dan, Gad und Asher

Chagall-Fenster in der Synagoge des Hadassah Krankenhauses in Ein Kerem: Dan, Gad und Asher (von links nach rechts)

Chagall Fenster Hadassah – Entstehung

Im Jahr 1959 erhielt Marc Chagall von der zionistischen Frauenorganisation Hadassah, die Erbauer des Krankenhauses in Jerusalem, den Auftrag über die Gestaltung der Fenster. Der Künstler entwarf die Fenster und verzichtete auf sein Honorar, nur die weiteren Kosten wie Material, Arbeitslohn für das Atelier Jaques Simon (Reims) und sonstige Kosten mussten durch die Organisation gedeckt werden.

Chagall-Fenster Hadassah Naphtali, Joseph und Benjamin

Chagall-Fenster in der Synagoge des Hadassah Krankenhauses in Ein Kerem: Naphtali, Joseph und Benjamin (von links nach rechts)

Zwei Jahre benötigte Chagall für die Entwürfe, unterstützt durch den französischen Glaskunstmeister Charles Marq und seiner Frau Brigitte. Marq hatte neue Techniken entwickelt, wodurch verschiedene Farben auf ein Glasstück aufgebracht werden konnten. Durch eine neue Brenntechnik kam die Leuchtkraft der Farben besonders gut zur Geltung. Über diese Zeit sagte Chagall später: „Während der ganzen Zeit meiner Tätigkeit fühlte ich, wie mir mein Vater und meine Mutter über die Schultern schauten, und hinter ihnen standen Juden, Millionen vergangener Juden von gestern und von vor tausend Jahren.“

Chagall Fenster Hadassah – Paris, New York, Jerusalem

Als die Fenster fertiggestellt waren, wurden sie erst einmal im Louvre (Paris) und anschließend im Museum of Modern Art (New York) ausgestellt. Dann erst gelangten sie an den eigentlichen Bestimmungsort, die von Joseph Neufeld entworfene Synagoge des Hadassah-Hospitals. Zur Einweihung am 6. Februar 1962 sagte Marc Chagall mit Freude erfüllt: „… meine bescheidene Gabe dem jüdischen Volk zu überbringen, dem Volk, das immer von der biblischen Liebe geträumt hat, von Freundschaft und Frieden unter allen Völkern. Dem Volk, das hier schon vor Tausenden Jahren unter anderen semitischen Völkern gelebt hat. Meine Hoffnung ist, dass ich hierdurch meine Hand zu Kultur suchenden, zu Dichtern und zu Künstlern unter den Nachbarvölkern ausstrecke.“

Aus dem tiefer gelegenen Innenraum erheben sich die Fenster in einem Quadrat, an jeder Seite mit drei Fenstern, so wie sich die Stämme Israels auch um die Bundeslade gruppierten, und sind dann von außen ebenerdig zu betrachten. Jedes Fenster ist 3,40 Meter hoch und 2,50 Meter breit. Die Motive der Kunstwerke beziehen sich auf das 1. Mose, Kap. 49 (Segenssprüche Jakobs für seine 12 Söhne) und das 5. Mose, Kap. 33 (Segnungen Moses für die zwölf Stämme Israels). Die Glasfarben wählte Chagall nach den Anweisungen Moses für die Priestergewänder: Blau, Rot, Grün und Gold oder Gelb (2. Mose, Kap. 28).

Chagall-Fenster „Issachar“ in der Synagoge des Hadassah-Krankenhauses Jerusalem

Literatur über die 12 Chagall-Fenster

In „Die Söhne Jakobs – In Glasfenstern dargestellt von Marc Chagall“ wird die Geschichte der Entstehung sowie alle 12 Fenster im Detail von Miriam Freund beschrieben. Diese Publikation erschien auf Deutsch übersetzt von Christiane Sieche im Jahr 1964 im Herder Verlag. Leider ist das Buch nur noch antiquarisch zu bekommen, aber dafür ist der Preis durchaus akzeptabel, wenn man ein bisschen sucht, zum Beispiel bei booklooker.de, bekommt man es in gutem Zustand bereits unter zehn Euro. (Hardcover)
Ein weiteres Buch aus dem Herder-Verlag erschien in den 1980er-Jahren unter dem Titel „Die Glasfenster von Jerusalem“. Die 100 Seiten umfassende Paperback-Ausgabe zeigt auch Entwürfe zu den Fenstern. Auch dieses Buch ist für kleines Geld im modernen Antiquariat erhältlich. (Paperback)
Auf Englisch erschien „Jerusalem Windows“ im New Yorker Braziller-Verlag im Jahr 1962. Ob der Preis von einem Online-Antiquar in Höhe von fast 1200,- Euro gerechtfertigt ist, können wir leider nicht sagen, da uns dieses Werk nicht vorliegt, aber schauen Sie selbst >>> das Angebot ein. Preiswerter dagegen ist die Ausgabe „The Jerusalem Windows“ des selben Autors – Jean Leymarie – bei diversen Online-Händlern.

Fenster „Ruben“

Dieses Fenster ist bestimmt von Blautönen, mit farblichen Akzenten von Grün, Rot und Purpur. Es versinnbildlicht den ersten Sohn, der in der Bibel beschrieben wird: „Ruben, mein erster Sohn bist du, meine Kraft und der Erstling meiner Stärke, der Oberste in der Würde und der Oberste in der Macht.“ (1. Mose (Genesis) Kap. 49, Vers 3). Miriam Freund vergleicht die Darstellung in diesem Fenster mit der Erschaffung der Welt, die mit Geburt des ersten Sohnes gleichzusetzen sei. Diese Welt werde von einer Sonne erhellt, Himmel und Meer befänden sich in Bewegung und flössen ineinander. Chagall-typische Vögel flögen in die Sonne, in der deren Kreis sich der Segen Jakobs auf Hebräisch befindet. In der Mitte fliegen drei Vögel, der rote Kopf und  gelbe Schnabel des mittleren Vogels, sollen auf die Stärke und Macht Jakobs hinweisen. Die vielen bunten Fische im unteren Bereich des Bildes zeigen die vielfältigen Charakterzüge Jakobs, manche sind nahbar, andere zeigen ihr aufgerissenes Maul, weitere scheinen zu weinen. Die Pflanzen ergänzen das Bild von Jakob, darunter eine Alraune, der heilende Kraft zugeschrieben wird. Das letzte Element, eine Traumlandschaft in Grün mit Schafen und einem Teich runden das Bild des Erstgeborenen und der Schöpfung ab.

Chagall-Fenster „Simeon“ in der Synagoge des Hadassah-Krankenhauses Jerusalem

Fenster „Simeon“

In der Bibel steht über Simeon: „Die Brüder Simeon und Levi, ihre Schwerter sind mörderische Waffen. […] Verflucht sei ihr Zorn, dass er so heftig ist, und ihr Grimm, dass er so grausam ist. Ich will sie versprengen in Jakob und zerstreuen in Israel.(1. Mose (Genesis) Kap. 49, Verse 5 und 7) Dieses Bild rechts neben dem Fenster „Ruben“ ist ebenfalls im blauem Grundton gehalten und mit roten, grünen und lavendelfarbenen Elementen geschmückt. Die Brüder unterscheiden sich jedoch erheblich. Während Ruben ein positives Bild abgibt, scheint es bei Simeon das Gegenteil zu sein. Doch Simeon hebt sich von seinen Brüdern ab. Während diese ungute Absichten hegen – was einer Zerstörung der Erde uns allen Lebens gleichgesetzt wird – wird er als rötlich schimmernder Planet rechts im oberen Bereich dargestellt. Der sich links befindliche Planet in seichten rosa Pastelltönen steht nach Ansicht Freunds für den Stamm Levi, getrennt von dem anderen wie in der Bibel beschrieben: „Ich will sie versprengen in Jakob und zerstreuen in Israel.“ In der unteren Hälfte repräsentiert die große Kugel die Erde, umflogen von Tieren mit ausgebreiteten Flügeln.  Das Pferd mit grünem Kopf zwischen den beiden oberen Planeten zeugt von Stärke. Der Baum schräg links darunter soll typisch für Chagall dessen Sanftmut vermitteln, wie märchenhaft wiege er sich im Wind, bestückt mit Früchten, die wie Edelsteine glitzerten.

Chagall-Fenster „Levi“ in der Synagoge des Hadassah-Krankenhauses Jerusalem

Fenster „Levi“

Das rechte Fenster in dieser Reihe, die nach Osten zeigt, strahlt in Gelb dem Betrachter entgegen.  Dieser entdeckt bei näherer Betrachtung im oberen Bereich einen Davidstern, das größte Symbol des Judentums. Dieser leuchtet in Gelb, Rot und Blau, gekrönt von dem Wort Levi auf Hebräisch. Nichts Bedrohliches wirkt aus dem vorgenannten Bibelvers bei Simeon, vielmehr wird die Berufung des Stammes Levi in Bildern dargestellt. Die beiden Gesetzestafeln, die Mose von Gott für Sein Volk erhalten hatte, stehen im unteren Bereichs der Fensters mittig im Zentrum, allerdings nur in den Umrissen. Als Text in Mose Segnung des Stammes Levi zu lesen. Die Tafeln und die Gesetzestafeln bilden eine vertikale Linie, dazwischen ein Früchtekorb in Regenbogenfarben, flankiert von zwei Tieren – Chagall durfte keine Menschen in den Bildern vorkommen lassen. Das Linke Tier trägt eine Krone wie eine Prinzessin, das rechte Tier ist gehörnt als Zeichen für Weisheit. Der Fruchtkorb erinnert an das jüdische Fest Schawuot, bei dem für die ersten Früchte gedankt wird. Der Stamm Levi, die Leviten, hatten in Gottes Volk eine Sonderstellung. Sie waren für die Verbindung zu Gott zuständig und arbeiteten im ursprünglichen Sinn nicht, sondern lebten von Opfern und dem Zehnten der anderen Stämme. Aus diesem Stamm gingen auch die Kohanim hervor – der priesterliche Segen des Kohanim (Birkat Kohanim) wird beispielsweise zweimal im Jahr an der Klagemauer erteilt, einmal an Pessach, das andere Mal zum Laubhüttenfest (Sukkot). Den Altar ganz unten sind Kelche zu, Schabbat gestellt, umgeben von Kerzen, die die Umgebung in warmes Licht tauchen und erhellen.

Quelle Bibelstellen: Lutherbibel 2017, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe; mit freundlicher Genehmigung © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Weitere interessante Objekte von Marc Chagall befinden sich in israelischen Parlament in Jerusalem. In der Knesset hängen im Chagall-Saal unter anderem Teppiche, die die Geschichte des Volkes Israel darstellen sowie ein riesiges Mosaik.

Besucherinformationen

Hadassah Medical Center (HMC) – Chagall-Fenster

  • Buslinien zum HMC: 12, 19, 27א
  • Öffnungszeiten: Sonntag-Donnerstag jeweils 8.30-16.00 Uhr (letzter Einlass 15.30 Uhr)
  • Eintritt: 10 Shekel, zahlbar im „Heritage Center“ gegenüber der Anmeldung
  • Heritage Center & Chagall Windows (30 min Tour): 25 Shekel (Erw.)

Kontakt
Kiryat Hadassah, POB 12000
Jerusalem, 91120, Israel
Telefon +972-2-6777109
E-Mail: windows@hadassah.org
Webseite: www.hadassah.org.il

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