Aaronitischer Segen an der Klagemauer zu Pessach. (© Matthias Hinrichsen)
Aaronitischer Segen Klagemauer

Aaronitischer Segen an der Klagemauer zu Pessach

Ein Aaronitischer Segen wird heutzutage bei Juden in Gottesdiensten und an besonderen Feiertagen sowie auch bei Christen gesprochen. Es ist der älteste überlieferte Segensspruch in der Bibel (Tora), den Gott Mose offenbarte:

Aaronitischer Segen

Und der HERR redete zu Mose und sprach: Rede zu Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr die Kinder Israels segnen; sprecht zu ihnen: Der HERR segne dich und behüte dich! Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig! Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden! Und so sollen sie meinen Namen auf die Kinder Israels legen, und ich will sie segnen. (4. Mose Kap. 6, Verse 22-27)

Quelle: Schlachterbibel, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Der sephardische und der aschkenasische Chefrabbiner bereiten sich gemeinsam vor, das Volk zu segnen.

Der sephardische und der aschkenasische Chefrabbiner bereiten sich gemeinsam vor, das Volk zu segnen

Im Judentum darf der Segensspruch nur von einem Cohen gesprochen werden, der stehend der betenden Menge zugewandt mit ausgebreiteten Armen steht. Bei liberalen Juden darf der priesterliche Segen von allen gesprochen werden. Des Weiteren wird in vielen liberalen Gemeinden statt „jewarechecha“ (es segne Euch) das Wort „jewarchenu“ (es segne uns) verwendet, wenn die ganze Gemeinde den Segensspruch sprechen. In jüdischen Familien wird der priesterliche Segen bei der Shabbat-Feier zu Hause vom Vater über jedes Kind gesprochen. Der Segen kann von allen gesprochen haben, die über die religiöse Mündigkeit verfügen. Die typische Handhaltung ergibt sich gemäß Salomon Ganzfrieds „Kizzur Schulchan Aaruch“, Bd. II., Kapitel 100 (in der Übertragung Selig Bambergers):

„Sie erheben die Hände […], strecken sie aus und teilen ihre Finger, so dass fünf Zwischenräume dazwischen entstehen, das ist zwischen je zwei Fingern ein Zwischenraum und zwischen zwei Fingern und dem Daumen ebenfalls ein Zwischenraum, und ebenso an der anderen Hand, das sind vier Zwischenräume, und zwischen einem Daumen und dem andern auch ein Zwischenraum, das sind fünf Zwischenräume […] sie müssen sehr darauf achten, dass die Spitzen der Daumen einander nicht berühren, damit der Zwischenraum nicht zerstört werde; sie müssen die rechte Hand etwas höher halten als die linke, und der rechte Daumen sei über dem linken Daumen […] und sie breiten die Hände so aus, dass das Innere ihrer Hände zur Erde gewandt ist und die Rückseite ihrer Hände zum Himmel.“

Zehntausende versammeln sich an der Klagemauer

Zehntausende versammeln sich an der Klagemauer

Hebräisch
יְבָרֶכְךָ יְהוָה וְיִשְׁמְרֶךָ (jewarechecha Adonai vejischmerecha)
יָאֵר יְהוָה פָּנָיו אֵלֶיךָ וִיחֻנֶּךָּ (ja’er Adonai panaw elecha wichuneka)
יִשָּׂא יְהוָה פָּנָיו אֵלֶיךָ וְיָשֵׂם לְךָ שָׁלוֹם (jissa Adonai panaw elecha wejasem lecha schalom)

Priesterlicher Segen zu Pessach an der Klagemauer in Jerusalem

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Priesterlicher Segen an der Klagemauer an Sukkot (Laubhüttenfest)

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Im evangelischen Christentum spricht der Pastor manchmal zum Abschluss des Gottesdienstes einen Aaronitischen Segen , in evangelischen Landeskirchen ist es ordinierten Amtsträgern vorbehalten, ihn zu sprechen. Bei der römisch-katholischen Kirche wird er „Im Jahreskreis“ an erster Stelle gesprochen.

Geschichte Aaronitischer Segen

Der Vorläufer des heute bekannten Aaronitischen Segen fanden Forscher in den Silberrollen von Ketef Hinnom, die mehrere hundert Jahre älter sind als die biblischen Rollen von Qumran. Sie ähneln ihnen jedoch sehr, wobei die Abweichungen gering sind. In der Tora ist der barmherzige Gott in direkter Zuwendung zum Gläubigen erkennbar, und es ergibt sich die dreischrittige Folge von Schutz über Gnade hin zum Frieden. Im Buch Numeri der Tora lässt sich erkennen, dass Jahwe den Wortlaut des Segensspruchs den Priestern aufgetragen hat anzuwenden und dass dieser Segen direkt von Gott gespendet wird und nicht von einem Menschen.

Im Buch Sirach, Kapitel 50, Vers 20 wird berichtet, wie der Hohepriester Simon II. im Tempel das Volk im Namen Gottes segnet. So wird das Aussprechen des Aaronitischen Segens durch den Hohepriester als Höhepunkt des Gottesdienstes im Tempel gesehen. Im Zweiten Jüdischen Tempel, den Herodes der Große errichten ließ, war der priesterliche Segen bei jeder täglichen Opfergabe üblich. Wie auch heute erwähnen Juden jedoch nicht den Namen Gottes, weil er heilig ist. In der weiteren Entwicklung wurde auch in den Synagogen der Priestersegen – in  modifizierter Form – gespendet. Der Segen wurde in drei Sätze aufgeteilt, die Arme des Priesters erhoben sich bis auf Schulterhöhe. Da sich Jesus von Nazareth auch in der Synagoge aufhielt, wie es der Bibel zu entnehmen ist, gehen Gelehrte davon aus, dass er auch den Aaronitischen Segensspruch kannte. Eine Erwähnung in der Bibel sucht man jedoch vergebens.

Während des Mittelalters und in der Reformationszeit wurde der Aaronitische Segen im Allgemeinen nicht gesprochen, nur manchmal wurde er in regionalen Liturgien verwendet. Anders Franz von Assis, der ihn in seinem „Segen für Bruder Leo“ verwendete. Erst Martin Luther führte quasi den Segensspruch in christlich-evangelische Kreise ein und empfahl die Verwendung in Gottesdiensten. Anlass für ihn war die Verbindung zwischen Schlusssegen um dem Abschied Christus Jesus an Himmelfahrt, angeregt durch die damals übliche Allegorese der Messliturgie. Luther schlug in der 1523 veröffentlichten „Formula missae“ vor, entweder die Segensbitte aus Psalm 67 zu verwenden oder den Aaronitischen Segen. Er sagte dazu: „„Auf diese Weise hat es, glaube ich, auch Christus gehalten, als er in den Himmel aufstieg und seine Jünger segnete.“ Bereits drei Jahre später erwähnte Luther in der „Deutschen Messe“, die Gottesdienstordnungen der Reformationszeit, den Psalm nicht mehr als mögliche Variante. Dieses übernahmen später auch Ulrich Zwingli und Johannes Calvin.

Gegenwart – Judentum

Das Segnen mit dem priesterlichen Segen – wie er beispielsweise an großen jüdischen Feiertagen wie Pessach an der Klagemauer durch die obersten Rabbiner Israels gesprochen wird – ist für orthodoxe  Judentum im Gottesdienst eine Mitzwa, also eine religiöse Pflicht. Sie ist überdies für alle männliche Nachkommen mit religiöser Vollmündigkeit Pflicht. Für den Ablauf gilt es einen streng geregelter Ablauf:

  • Der Kantor spricht laut das Achtzehnbittengebet, die Leviten assistieren den Kohanim bei der rituellen Handwaschung, danach streifen die Kohanim ihre Schuhe ab, was beides an den Dienst der Prediger im Tempel erinnern soll.
  • Bei den Worten des Kantors: „G-tt, der Herr, wolle dein Volk Israel …“ gehen die Priester die Stufen zur Bima mit Blick auf den Toraschrein hinauf.
  • Ruft der Kantor „Priester!“ sprechen sie den Segensspruch: „Gelobt seist du, haSchem, unser G-tt, König der Welt, der uns mit Aarons Heiligkeit geheiligt und uns befohlen hat, sein Volk Israel in Liebe zu segnen.“
  • Dann wenden sie sich zur Gemeinde, wobei ihre Köpfe mit dem Tallit bedeckt sind, die Arme in Schulterhöhe erhoben und die Finger in einer oben beschriebenen Weise gespreizt sind.
  • Der Kantor rezitiert die Verse des Priestersegens und die Priester wiederholen Wort für Wort. Jeder Vers wird durch die Gemeinde mit „Amen“ (so sei es) bestätigt.

In den liberalen jüdischen Gemeinden kann jeder den Segen sprechen. Bei Shabbatfeiern zu Hause segnet der Vater die Kinder mit dem Aaronitischen Segen.

Gegenwart – Christentum

Im Christentum muss zwischen den einzelnen Denominationen unterschieden werden. Am Ende eines evangelischen Gottesdienstes wird der Aaronitische Segen gesprochen. Nur die ordinierten Amtsträger durften früher auch mit Segensgebärde sprechen, Nichtordinierten war es untersagt. Im Evangelischen Gottesdienstbuch ist der Segen obligatorisch. Die Segensgebärde wird unterschiedlich angewendet, teilweise mit dem Kreuzzeichen, teilweise ohne, manchmal auch mit anderen Gesten und Bewegungen. In der römisch-katholischen Kirche wurde der Aaronitische Segen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingeführt.

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