Die Kirche Dominus Flevit auf dem Ölberg erinnert an Jesus, als er über Jerusalem weinte. Der Franziskaner-Orden hatte das Gelände 1881 erworben und zehn Jahre später eine kleine Kapelle errichtet, nachdem sie noch ein weiteres Areal zusätzlich erworben hatten. Aber bereits im Mittelalter hatten Pilger diesen Ort mit dem biblischen Ereignis in Verbindung gebracht. Dieser lag der Überlieferung nach an einem Prozessionsweg, der vom Ölberg zur Grabeskirche führte und heute als Palmsonntagsweg bezeichnet wird. Das ist auch heute noch so und kann selbst erlebt werden.
Jesus weint über Jerusalem
Als Jesus sich der Stadt näherte und sie vor sich liegen sah, weinte er und sagte: »Wenn doch auch du heute erkannt hättest, was dir Frieden* bringt! Aber Gott hat dich blind dafür gemacht. Darum kommt jetzt über dich eine Zeit, da werden deine Feinde einen Wall rings um dich aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten einschließen. Sie werden dich und deine Bewohner völlig vernichten und keinen Stein auf dem andern lassen. Denn du hast den Tag nicht erkannt, an dem Gott dir zu Hilfe kommen wollte.« (Lukas Kap. 19, Verse 41-44)
Quelle: Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
Dominus Flevit – Hinweg
Als Besucher kann man nicht mit dem Auto oder Bus direkt zur Kirche fahren, weil nur eine schmale Straße daran vorbei führt und kein Parkplatz vorhanden ist. Aber das ist auch gar nicht notwendig. Viel erlebnisreicher ist der Fußweg, weil einige Sehenswürdigkeiten auf dem Weg liegen. Man kann entweder vom Garten Gethsemane den Palmsonntagsweg hinauf gehen, was angesichts der Steigung und hoher Temperaturen im Sommer für die meisten eher beschwerlich und nicht empfehlenswert ist. Oder man geht von der Aussichtsplattform des Ölbergs bergab. Gruppen können sich mit ihrem Bus bis in die Nähe der Aussichtsplattform auf dem Ölberg bringen lassen und dann ihre Tour zu Fuß bergab starten. Einzelreisende nehmen ein arabisches Taxi ab Damaskustor im Ostteil von Jerusalem oder – noch preiswerter und zuverlässiger – den Bus der Linie 75 bis zum Tempelberg hoch, bis er nach Bethanien abbiegt. Sagen Sie dem Busfahrer einfach, dass Sie zum Ölberg (Mount of Olives) wollen und er hält zuverlässig an der Abzweigung zum Aussteigen an. Empfehlenswert ist, auf Höhe der Paternosterkirche den Bus zu verlassen und die 300 Meter zur Aussichtplattform zu Fuß zu gehen. So bekommt man einen ersten Eindruck bei einem Blick auf Jerusalem, insbesondere die Altstadt mit dem Tempelberg.
Haben Sie etwas Zeit, dann besuchen Sie doch erst die Paternosterkirche, in der Sie 140 mal das Vater Unser in verschiedenen Sprachen bestaunen können. Sie sind alle von christlichen Gemeinden oder Organisationen gestiftet und als Majolika-Arbeit kunstvoll ausgeführt. Die fast mannhohen Tafeln sind aus mehreren Teilen zusammengesetzt, gleich einem Fliesenspiegel in der Küche. Neben der Variante in Deutsch hat auch eine Helgoländer Kirchengemeinde eine Tafel gespendet. Erstaunlich ist, wie oft das Amen als Abschluss verwendet ist, obwohl es sich um eine andere Sprache handelt. Der Eintritt beträgt nur wenige Shekel, sodass sich alleine schon wegen dieser Vielfalt der Vater Unser ein Abstecher lohnt. Zudem ist die Kirche nicht stark besucht, die Massen werden gleich zur Aussichtplattform gebracht. So können Sie eine Ruhe genießen und haben die Gelegenheit, das Vater unser im Matthäus-Evangelium, Kapitel 6, Verse 5 bis 15 parallel zu Ihrem Besuch zu lesen.
Sie könnten, nachdem Sie ein umfriedetes Grundstück der Benediktiner passiert haben, nach rechts in den Palmsonntagsweg abbiegen. Aber dann würden Sie einen phantastischen Ausblick vom Ölberg aus verpassen, den Sie schon ansatzweise auf dem Weg zur Aussichtsplattform hatten. Nehmen Sie sich auch dafür Zeit und genießen den Ausblick, der auf Tausenden von Prospekten, Katalogen und Reiseführern als beliebtes Motiv prangt. Im Vordergrund erstreckt sich ein riesiges jüdisches Gräberfeld mit rund 100.000 Gräbern, die von der Gruppe Elad ab 2008 kartographiert worden sind. Der Friedhof zählt zu den ältesten weltweit und wurde nach der Zerstörung durch die Jordanier während ihrer Besatzerzeit aufwändig wiederhergestellt. In der Senke befindet sich das Kidrontal, das aus biblischer Perspektive bei Jesu Wiederkunft eine bedeutende Rolle spielen wird.
Danach erhebt sich der Tempelberg, auf dem einst die beiden jüdischen Tempel standen. Der zweite Tempel wurde durch die Römer zerstört und einige der Mauersteine, die herabgestoßen wurden, sind im Archäologischen Park zu sehen. Für Juden ist es der heiligste Ort, da dort der biblischen Überlieferung nach der Erste und Zweite Tempel standen, für Christen hat der Tempelberg oder vielmehr der damalige Zweite Tempel die größte Bedeutung, da beim Tod Jesu am Kreuz der Vorhang zum Heiligsten zerriss und den Weg für alle Menschen zu Gott eröffnete. Für Muslime ist der vom Felsendom umschlossene Fels der Ort, von dem ihr Prophet Mohammed die Reise in den Himmel angetreten haben soll. Der Berg allerdings ist ein Heiligtum für Juden und Christen, da hier Abraham der Bibel zufolge seinen Sohn opfern sollte, dann aber durch einen Engel an der Ausführung abgehalten wurde. Es gibt zwei Gründe, die das Ereignis erklären. Zum einen wollte Gott Abraham prüfen, ob er Ihm vollends ergeben ist. Zum anderen stellt die gesamte Situation eine Abkehr von Menschenopfern dar, denn Gott gab Abraham statt des Menschen einen Widder. Die Ablösung von Tieropfern erfolgte dadurch, dass Jesus stellvertretend für alle Menschen am Kreuz „geopfert“ wurde. Muslime erlauben Christen und Juden nicht, den Felsendom zu betreten, um den Felsen zu besichtigen.
Links von der Altstadt, die durch einen Mauerring umgeben ist, erhebt sich der Berg Zion, auf dem die Dormitio Abtei steht. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch der Abendmahlssaal zur Erinnerung an Jesu Abendmahl mit den Jüngern sowie das Grab König Davids. Die Neustadt Jerusalems erstreckt sich auf mehreren Hügeln nach allen Seiten Richtung Westen. Wenn Sie auf der Aussichtsplattform einige Zeit die Aussicht genossen haben, gehen Sie rechts der jüdischen Gräber den steilen Palmsonntagsweg talwärts. Nach kurzer Wegstrecke zweigt rechts ein asphaltierter Weg ab, ein Schild weist schon auf die Kirche Dominus Flevit hin.
Dominus Flevit – Neubau 1955
Im Jahr 1955 wurde nach den Entwürfen von Antonio Barluzzi eine Kapelle errichtet, die den Namen Dominus Flevit erhielt, was übersetzt „Der Herr weinte“ bedeutet. Doch das war nicht der erste Bau an dieser Stelle. Davor durchgeführte Ausgrabungen ließen Fundamente eines Klosters und einer Kapelle aus dem 5. Jahrhundert erscheinen. Während der Ausgrabungen stießen die Bauarbeiter auf Reste von Mosaiken, die erhalten und in den Neubau integriert wurden. Entgegen seines üblichen konservativen Stils, entwarf Barluzzi einen modernen Sakralbau in Form einer stilisierten Träne, die heutige Kirche Dominus Flevit. Zudem hatte der Architekt den Kirchenbau nicht gen Osten, wie üblich, ausgerichtet, sondern in westliche Richtung.
Diese Ausrichtung ermöglicht vom Altarraum einen Panorama ähnlichen Blick auf das historische Jerusalem, insbesondere den Tempelberg. In der Westwand beim Altar befindet sich ein sehr berühmtes Foto- und Postkartenmotiv: Hinter dem Rundbogenrahmen mit den markanten Streben eines großen Fensters wird dem Besucher einen Ausblick auf die Altstadt Jerusalems und somit weitere religiöse Stätten des Christentums, des Judentums und der muslimischen Richtung.
Dominus Flevit – archäologische Funde
Um für die Kapelle Dominus Flevit ausreichend Platz zu schaffen, wurde auch ein Friedhof fast vollständig eingeebnet. Übrig blieben einige Gräber als Zeitzeugen, die als Beispiele für verschiedene Typen der jeweiligen Epochen dienen sollten.
Auf dem Weg zum Gotteshaus befinden sich rechter Hand überbaute Reste einer alten Friedhofsanlage. Diese wurden in den Jahren 1953 und 1954 im alten Garten bei Mauerarbeiten entdeckt. Das „Studium Biblicum Franciscanum“, das Archäologenabteilung der Franziskaner, fand unter der Leitung von Pater Bellarmino Bagattium und J.T. Milik Gräber, die der kananitischen Periode in Jerusalem zuzuordnen sind. Demzufolge wurde nach Forschersicht dieser Bereich des Ölbergs im Zeitraum 1600 bis 1300 v. Chr. als Friedhof genutzt wurde.
Die Nutzung als Friedhof erstreckt sich über mehrere Jahrhunderte, jedoch von unterschiedlichen Kulturen. Jüdische Schachtgräber im Kokhim-Stil, die von 100 v. Chr. bis 135 n. Chr. angelegt worden sind und Bogengräber aus der byzantinischen Periode von 200 bis 400 n. Chr. geben Zeugnis über die Verwendung. Es wurden insgesamt 29 Epitaphen entdeckt und freigelegt, sieben mit hebräischen Inschriften und jeweils elf mit aramäischen und griechischen. Bei den Gräber wurden Grabbeigaben gefunden wie beispielsweise Steinkassetten für die Aufbewahrung der Gebeine, die wiederum Inschriften mit christlichen Symbolen aufwiesen. Den Höhepunkt an Funden stellen Sarkophage dar, die mit pflanzlichen und geometrischen Ornamenten versehen waren. Sie sind im Museum der Geißelungskapelle (Church of Flagellation) in der Altstadt bei der zweiten Station der Via Dolorosa ausgestellt.
Erst Kreuzfahrer errichteten eine Kapelle auf dem Gelände, die aber durch die Eroberung Jerusalems durch die Araber im Jahre 1187 verfiel und nur eine Ruine übrig blieb. Anfang des 16. Jahrhunderts bauten Muslime eine Moschee und Medresse und verwendeten möglicherweise die Überreste der Kapelle. Die genauen Umstände sind unter Forschern bis heute nicht nachweislich erforscht, sodass eher vermutet als bewiesen werden kann.
Dominus Flevit – Besonderheiten
Dieses Grundstück der Franziskaner hat eine ganz besondere Ausstrahlung. Zum einen erwartet den Besucher keine Standardkirche. Schon die Größe ist eher einer Kapelle zuzuschreiben, es gibt keinen Kirchturm in herkömmlichen Sinn. Die Kirche drückt Bescheidenheit aus, was möglicherweise auch dem Anlass der Trauer Jesu geschuldet ist. Der kleine Kirchenraum ist recht dunkel und lädt zur Besinnung ein. Bei offenen Türen kommen und gehen die touristischen Christen, aber die Unruhe hält sich in Grenzen. Richtig ruhig wird es erst, wenn Gottesdienst abgehalten wird und dazu die Türen geschlossen werden. Als Pilgergruppe kann man sich etwas abseits auf bereit gestellten Bänken versammeln, um eine kleine Andacht abzuhalten und sich über die entsprechenden Bibelverse auszutauschen. Dabei ist der Blick auf Jerusalem gerichtet, das sich jenseits des Kidrontals über die Hügel ausdehnt. Der Architekt und italienische Franziskaner-Mönch Barluzzi entwarf in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrere Kapellen und Kirchen für die Franziskanische Kustodie des Heiligen Landes, unter anderem die Kirche der Seligpreisungen und die Kirche aller Nationen.
Besucherinformationen
Dominus Flevit
Palmsonntagsweg, Jerusalem (Ölberg Mitte)
Zugang über den Palmsonntagsweg (Weg zwischen Aussichtsstelle Ölberg und Garten Gethsemane)
Öffnungszeiten: täglich 8.00-11.45 und 14.30-16.45 Uhr (ganzjährig)
Bekleidung: Schultern und Knie bedeckt
Gottesdienste für Gruppen: bei Voranmeldung, max. 45 Minuten
Prospekte in mehreren Sprachen (gegen eine geringe Gebühr)
Toiletten vorhanden, Spende erwünscht
Fototipp: Aus dem vorderen Kirchenfenster beim Altar auf den Ölberg
Eintritt frei