Das jüdisch-orthodoxe Viertel Mea Shearim ist eine Welt für sich und das in vielfacher Hinsicht. Schon rein äußerlich unterscheiden sich die Bewohner vom Rest der säkularen oder liberal religiösen Bevölkerung. Die streng orthodoxen Männer tragen schwarze Anzüge mit weißen Hemden, einen schwarzen Hut als Kopfbedeckung. Frauen sind meist in schwarze, lange Röcke mit Blusen gekleidet, die verheirateten tragen ein Kopftuch oder eine Perücke aus meist glattem Haarersatz.
Mea Shearim – tagsüber
Wer tagsüber durch Mea Shearim läuft oder fährt, wird auf den mit Geschäften bestückten Straßen eine übermäßig hohe Dichte an Menschen erleben, die eilig und geschäftig unterwegs sind. In den Wohnvierteln herrscht Fotografierverbot, es sei denn, Sie erhalten eine Genehmigung. Denn die Menschen im Viertel Mea Shearim möchten nicht als Touristenattraktion gelten und bringen dieses öffentlich mit Schildern zum Ausdruck. In den Haushalten gibt es keine Zeitungen oder Zeitschriften, geschweige denn ein Radio, PC oder Fernseher. Das alles lehnen sie ab. Nachrichten werden über Wandzeitungen verbreitet, die an einer der zahlreichen Plakatwänden mehrschichtig kleben und auf dem aktuellen Stand gehalten werden.
Mea Shearim – auf Kleidung achten
Als seriöser Besucher des Viertels werden Sie zwar nicht stürmisch empfangen, aber zumindest normal behandelt. Lohnenswert in Mea Shearim ist der Einkauf von typisch jüdischen Bedarfsartikeln und Backwaren, die dort einerseits von sehr guter Qualität sind, andererseits zu vernünftigen Preisen angeboten werden. Das sollten Sie sich keinesfalls entgehen lassen! Achten Sie bitte auf Ihre Kleidung: Tragen Sie etwas, das zumindest Schultern und Knie bedeckt, besser noch wäre lange und nicht aufreizende Kleidung.
Mea Shearim – abends
Das orthodoxe Viertel ist auch in den Abendstunden sehr belebt. Jüdische Frauen und Männer kommen von der Klagemauer nach Hause. Manche gehen religiösen Angelegenheiten nach oder kaufen ein. In diesem Viertel ist immer etwas los, außer tief in der Nacht, da ruhen auch die Bewohner.
Geschichte
Der jüdische Teil der Altstadt Jerusalems war für die Bevölkerung zu eng geworden, auch wenn sie dort kurze Wege zur Klagemauer hatten, um zu beten. Aber von der künftigen Wohnsiedlung war der heiligste Ort der Juden nicht allzu weit entfernt und schnellen Schrittes in zehn Minuten erreichbar. Im Jahr 1874 gründete eine Gruppe von Juden eine Gemeinschaft mit einhundert Mitgliedern. Sie erwarben im Laufe der Zeit 32.000 Quadratmeter Land. Der deutsche Architekt Konrad Schick, dessen Name vielfach in Jerusalem anzutreffen ist, entwarf die Wohnanlage Me’a Sche’arim in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Am 18. Mai 1874 konnte der Grundstein für den für den Wohnkomplex gelegt werden, der bewusst vor die Altstadt Jerusalems gelegt wurde.
Im Jahr 1880 waren die ersten 100 Wohnungen bezugsfertig, nach heutiger Betrachtung eine sehr lange Zeitspanne für den Bau. Im Hof des Komplexes befand sich ein offener Hof, der teilweise bepflanzt wurde. Später wurden dort Kuhställe errichtet. Bis zum Ende des Jahrhunderts waren 300 Wohnungen bezugsfertig, die ein kleines Stadtviertel ergaben. Der Name Me’a Sche’arim leitet sich aus der Tora ab (Genesis 26,12) „Isaak säte in seinem Lande und erntete in jenem Jahre hundertfach. Meye Shorim auf Aschkenasisch und Jiddisch bedeutet auf Deutsch „hundertfach“. Bewohner des Viertels waren vorzugsweise orthodoxe Juden, später kamen vor allem halachisch lebende Juden aus Polen und Ungarn dazu, die sich auch in unmittelbarer Umgebung ansiedelten. Im Jahr 1881 nannten rund 600 Familien 147 Häuser ihre neue Heimstätte. Nach damaligen Verhältnissen war die Raumaufteilung großzügig: Je Wohnung gab es eineinhalb bis zwei Zimmer und vier Familien teilten sich ein Bad und eine Küche. Das war bedeutend besser als in der Altstadt, wo es ungleich enger zuging.
Schon damals zeigten sich der Hass von Arabern auf die Juden, denn arabische Banden zogen in der ungeschützten Siedlung umher, ermordeten die neuen Bewohner und überfielen Geschäfte. So kapselten sich die bedrohten Juden in ihren neuen Stadtteil immer mehr ein und wurden – so weit möglich – nur auf sich selbst angewiesen. Eine Mauer umgab das Viertel, durch vier Tore konnte man hinein oder hinaus, diese wurden über Nacht verschlossen. Drinnen gab es alles für ein jüdisches Leben: Synagogen, Schulen, Geschäfte, Handwerker und eine Mikve für rituelle Bäder.
Besucherinformationen
Mea Shearim
Ein Besuch des Viertels ist jederzeit möglich, allerdings sollten Sie nicht als große Touristengruppe auftreten, sondern besser in Grüppchen mit 2-3- Personen. Verbotene Bereiche sind mit großen Schildern markiert.
Fotografieren: Die Bewohner des jüdisch-orthodoxen Vierteln in Jerusalem möchten nicht als Touristenattraktion angesehen werden, daher ist fotografieren unerwünscht.
Kleidung: Besucher sollen sich respektvoll kleiden, Männer und Frauen mit bedeckten Schultern und Beinen.
Empfehlenswert: Backwaren in den kleinen Bäckereien, Judaica, handgefertigte jüdische Kleidung