Das Kidrontal beginnt im Ostteil von Jerusalem und schlängelt sich in südlicher Richtung durch eine Engstelle zwischen Ölberg und Tempelberg hindurch. Der Prophet Joel schreibt im 4. Kapitel über die kommenden Geschehnisse im Tal Josaphat, womit genau diese Engstelle bezeichnet sein soll. Dort werden die Völker zur Rechenschaft gezogen, wie sie sich gegenüber Gottes Volk verhalten haben. Archäologen zufolge soll das Kidrontal früher tiefer gewesen sein als es heute vorzufinden ist. Nach christlicher Überlieferung wird der Messias nach Seiner Ankunft auf dem Ölberg nach Jerusalem einziehen und durch das Kidrontal gehen. Bei vielen Christen ist nur die Engstelle als Kidrontal bekannt, doch es zieht sich durch die Judäische Wüste bis zum Toten Meer als Nahal Kidron. Auf halber Strecke ist das orthodoxe Kloster Mar Saba gelegen. Im Johannesevangelium wird der Bach Kidron erwähnt, über den Jesus mit seinen Jüngern nach dem Abendmahl ging, vor Seiner Überlieferung durch Judas.
Kidrontal – Tal Josaphat
Josaphat (Joschafat) war der Ururenkel von König David, der auf den ersten Blick nichts mit dem Tal Josaphat zu tun hat. Denn übersetzt heißt Josaphat „JAHWE richtet“. In diesem Kontext kündigt Gott die Vernichtung aller Völker an, die sich gegen Sein Volk gerichtet hatten. Wiederum wird in 2. Chronik, Kapitel 20 von Joschafat berichtet, wie er von Furcht erfüllt den Angriff seiner übermächtigen Feinde fürchtet, die vom Toten Meer kommend sich bereits in En Gedi befinden. Da betete Joschafat zu Gott, der sein Flehen erhörte und die Feinde kampflos vernichtete. Dieses Ereignis zeigt nach Gelehrtenmeinung Parallelen zum kommenden Gericht auf, in dem die Feinde Israels vernichtet werden, weil sie sich gegen Gottes Volk gestellt hatten. Zwischen dem Garten Gethsemane und dem Goldenen Tor gegenüber befindet sich das Josaphat-Tal mit einem Friedhof und christlichen Gräbern.
Am Fuße des Ölbergs liegt davor noch das Mariengrab, das seit dem 4. Jahrhundert mit einem Kloster überbaut gewesen sein soll. Seinerzeit hatte es große Bedeutung für Pilger, heute ist es eine Pilgerstätte für orthodoxe Katholiken und wird nach altkirchlicher Tradition als das Grab der Mutter Jesu verehrt. Mariengrab, Garten Gethsemane und die Kirche aller Nationen befinden sich genau genommen im Josaphat-Tal und nicht auf dem Ölberg sondern nur am Fuß dieser Erhebung.
Kidrontal – Gräber
Die jüdischen Gräber erstrecken sich von der Kuppe des Ölbergs bis zum Kidrontal hinab. Quasi als Abschluss sind drei gewaltige Gräber in den Hügel gebaut. Das größte ist das von König Absalom, der Bibel gemäß war er der dritte Sohn von König David und lebte um das Jahr 1000 v. Chr. Er war ein Halbbruder von Salomo und versuchte der Überlieferung zufolge König David zu stürzen. Hinter dem monumentalen Grabmal verbirgt sich der Eingang zu Joschafats Grab, der oben bereits erwähnt wurde. Dieses Grabmal ist gleichzeitig auch ein Denkmal, das sich Absalom selbst errichten ließ, wie im 2. Samuel, Kapitel 18, Vers 19 nachzulesen ist. Grund war für ihn, dass er keinen Erbfolger gezeugt hatte und offensichtlich nicht in Vergessenheit geraten wollte. Rechts daneben befinden sich die Gräber der Bnei Hezir (Söhne des Chesir) aus hellenistischer Zeit und Grab des Zacharias, einem Monolithen aus der Zeit des Zweiten Jüdischen Tempels zu Ehren des Priesters Zacharias Ben Jojada, erwähnt im Buch 2. Chronik.
Kidrontal – bis zum Toten Meer
Das Kidrontal schlängelt sich unterhalb des Ölbergs am arabischen Dorf Silwan vorbei in die Judäische Wüste hinein. Diese Stelle kann man beispielsweise auf dem Weg zum Einstieg in den Hiskija-Tunnel in Davidstadt sehen. Wasser führt das Kidrontal nur zu Regenzeiten, wenn der Regen von den umliegenden Hügeln herab fließt. Beeindruckend sind die tiefen Schluchten in der Judäischen Wüste, die sich über Jahrtausende in das Gestein hinein gewaschen haben, wie man es zum Beispiel auch in En Avdat sehen kann. die Bei Google Maps selbst ist das Kidrontal in Jerusalem nicht eingezeichnet, erst später als Nahal Kidron. Zur besseren Übersicht haben wir das Kidrontal komplett auf unserer Sehenswürdigkeiten-Seite eingezeichnet.
Einheimische gehen gerne zu Trockenzeiten in den ausgetrockneten Flussbetten wandern, so auch im Nahal Kidron. Gewaltige Schluchten machen solch einen Ausflug zum unvergesslichen Erlebnis. Jedoch darf man nicht die Gefahr einer plötzlichen Sturzwelle außer Acht lassen, die lebensgefährlich ist. Auch wenn direkt vor Ort kein Regen fällt, so ist dieses in Jerusalem oder den Judäischen Bergen möglich, was man als Wanderer nicht sieht. Die Geschwindigkeit des Sturzbaches ist so stark und die Welle so hoch, dass man als Mensch mitgerissen wird und sich meist nicht mehr retten kann. Daher wird Touristen von solch einer Wanderung abgeraten, insbesondere in den Regenmonaten. Ansonsten fließt der Nahal Kidron bei Avnat ganz unspektakulär zwischen Obst-Plantagen in das Tote Meer hinein.