Die Schleiereule als Friedenstaube
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Die Schleiereule als Friedenstaube

Yossi Leshem erläutert die per Radar ermittelten Zugwege im Jordantal. (Foto: Thomas Krumenacker)

Yossi Leshem erläutert die per Radar ermittelten Zugwege im Jordantal. (Foto: Thomas Krumenacker)

BET SHEAN (im) – Im Jordantal arbeiten israelische, palästinensische und jordanische Farmer eng zusammen, um ihre Ernten zu verbessern. Ohne Chemikalien. Gestiftet wurde diese völkerverständigende und obendrein ökologische Partnerschaft von israelischen Vogelkundlern. Zur Friedenstaube wurde eine Eule.

Natürliche Schönheit: das Bet Shean Tal. (Foto: Thomas Krumenacker)

Natürliche Schönheit: das Bet Shean Tal. (Foto: Thomas Krumenacker)

Das israelische Bet-Shean-Tal, zwanzig Autominuten südlich des See Genezareth gelegen, ist auf den ersten Blick ein Paradies. Weite Täler, satt grüne Felder und Teiche, wohin das Auge sieht. “Falls der Garten Eden in Israel ist, dann ist sein Tor in Bet Shean”, heißt es schon im Talmud. Doch auch hier im fruchtbaren Jordantal gibt es zahlreiche moderne Probleme. Eines davon ist – wie vielerorts weltweit – die Intensivierung der Landwirtschaft. Tonnen von Chemikalien, allen voran zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen, werden jährlich versprüht. Immerhin machen Wissenschaftler die Nager für den Ausfall von bis zu 35 Prozent der Ernte etwa beim Weizen verantwortlich. Das Gift macht aber nicht nur den lästigen Nagern den Garaus: Schädlingsbekämpfungsmittel verseuchen auch die Böden und das Grundwassers. Und auch auf Vögel haben sie einen gravierenden Effekt. Das Jordantal ist Teil des syro-afrikanischen Grabenbruchs, einer der weltweit bedeutendsten Routen des Vogelzugs.

Eine Schleiereule versorgt ihre Jungen mit frischer Nahrung. (Foto: Amir Ezer)

Eine Schleiereule versorgt des Nachts ihre Jungen mit frischer Nahrung. (Foto: Amir Ezer)

Millionen Vögel aus Europa, Russland und Zentralasien nutzen diese Strecke auf dem Weg in ihre afrikanischen Winterquartiere und zurück. Unterwegs jagen sie im Jordantal nach Beute – häufig Nagetiere – und werden dabei allmählich vergiftet. Warum nicht statt Chemie auf einen natürlichen Nagerkiller setzen, fragten Yossi Leshem von der Uni Tel Aviv und seine Mitstreiter. Eine ideale „biologische Waffe“ brütet schließlich schon in geringer Zahl im Bet-Shean-Tal: die Schleiereule. Ein Paar der gut taubengroßen Nachtvogelart verzehrt pro Jahr 2000 bis 3000 Mäuse. Begrenzt wurde die Zahl der Nager-Jäger eigentlich nur durch das geringe Angebot an Brutplätzen. Also wurden im Kibbutz Sde Elyahu die ersten künstlichen Nestboxen aufgestellt.

Weltweites Vorzeigeprojekt
Was vor mehr als 25 Jahren klein begann, ist mittlerweile eines der erfolgreichsten Programme der biologischen Schädlingsbekämpfung weltweit und überdies zu einem Vorzeigeprojekt regionaler Zusammenarbeit in einem der Brennpunkte der Weltpolitik – dem Nahostkonflikt – geworden. Auch dass es dazu kam, hat viel mit der schneeweißen kleinen Eule zu tun, die zumindest im Jordantal mittlerweile so etwas wie eine Friedenstaube ist: Nach der Errichtung der Nistkästen wuchs die Zahl der Eulen zwar rasch, doch immer wieder starben Vögel oder Nester wurden plötzlich von den Eulen verlassen, die Jungen darin verhungerten.

Die Betreuer fanden rasch die Erklärung. Vögel, die auf der Nahrungssuche die politischen Grenzen ignorierten und auch auf jordanischer und palästinensischer Seite des Jordantals Futter suchten, vergifteten sich oder wurden abgeschossen: Eulen gelten in vielen muslimischen Ländern als Todesboten oder Symbol des Bösen und werden gnadenlos verfolgt. Für Leshem war damit rasch klar: Das Schleiereulenprojekt ist nicht nur für den internationalen Vogelschutz wichtig. „Wenn es erfolgreich sein sollte, mussten wir es ausweiten auf die arabischen Gebiete. Und das bot auch eine Riesenchance für die regionale Zusammenarbeit, für die Verständigung zwischen Farmern aus Israel, den Palästinensergebieten und Jordanien. Eine ganz konkrete Chance für gelebten Frieden“, sagt der Professor. Und so wurden 2002 zunächst Partner auf jordanischer Seite und 2007 auf palästinensischer Seite gesucht und gefunden. Es wurden Schulungen in Arabisch veranstaltet, eine regelrechte Imagekampagne für die Schleiereule unter dem Motto: „Die Eule, des Farmers Freund“ in den arabischen Gebieten initiiert und der Erfolg wurde gemessen. Die Ernten stiegen, der teure Chemieeinsatz konnte reduziert werden. Mittlerweile wird auf beiden Seiten des Jordantals deutlich weniger Chemie eingesetzt.

Rast der Zugvögel im Jordantal. (Foto: Thomas Krumenacker)

Rast der Zugvögel im frühmorgendlichen Jordantal. (Foto: Thomas Krumenacker)

Wenn, wie vor wenigen Wochen nun regelmäßig Beteiligte aus Jordanien, Israel und dem Westjordanland zusammenkommen, um über den Naturschutz im Jordantal zu sprechen, sitzt mittlerweile eine illustre Runde zusammen: Das Peres Center for Peace, das Amman Center for Peace and Development, die Israelische Ornithologenvereinigung IOC und natürlich die Uni Tel Aviv sitzen dann an einem Tisch. Hinzugestoßen sind als Förderer auch die israelische Regierung, die Europäische Union und die deutsche Hanns-Seidel-Stiftung. Beim diesjährigen Treffen wurde kürzlich die bislang positivste Bilanz gezogen: Aus den bescheidenen 15 Nistkästen zu Beginn des Projekts sind jetzt auf israelischer Seite 2235 geworden, von denen 63 Prozent belegt waren. Auf jordanischer Seite finden die Eulen mittlerweile 185 Kästen vor, und auch in der palästinensischen Region um Jericho stellten Freiwillige 144 Nistmöglichkeiten bereit. Die israelische Verteidigungsindustrie steuerte 500 leere Munitionskisten als Brutstätten bei – die moderne Variante des Wortes von den Schwertern zu Pflugscharen.

Besonders erfreulich: Auch die Bildungsarbeit macht Fortschritte. Der Imam des arabischen Städtchens Bu’eine Nujeidat in Israel sprach kürzlich sogar während des Freitagsgebets über die Bedeutung der Schleiereulen für die Vermeidung von Chemie – “ein Durchbruch”, freut sich einer der Projektbetreuer. Und Yossi Leshem ruht sich nicht auf den Lorbeeren aus: “Die Farmer aus Jordanien und den Palästinensergebieten können vielleicht schon bald mit ihren Erfahrungen dahin gehen, wo wir als Israelis nicht gehen können: Nach Syrien, in den Libanon, in den Irak”, beschreibt er sein Langzeitziel eines chemiefreien und friedlichen Nahen Ostens.

(Thomas Krumenacker)

>>> Vogel- und Naturfotografie: www.krumenacker.de

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