Das Geheimnis der Zahlen
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Das Geheimnis der Zahlen

Die Mamilla Mall in den Abendstunden. (© Matthias Hinrichsen)

Die Mamilla Mall in den Abendstunden. (© Matthias Hinrichsen)

JERUSALEM (im) – Nach Sonnenuntergang strahlt das Licht der vielen exklusiven Läden in den dunklen Jerusalemer Himmel, im Hintergrund erheben sich die massiven Mauern der Altstadt, eingetaucht in gleißendes Scheinwerferlicht – die Mamilla Einkaufsstraße ist besonders von der Terrasse des Mamilla Restaurants ein einmalig sinnliches Erlebnis.

Einzelhandelsgeschäfte mit berühmten westlichen Mode-Labels, Schmuckboutiquen mit Kreationen im fünfstelligen Bereich und feinste Uhrenkollektionen hinter Panzerglas säumen seit der Eröffnung im Jahr 2007 die rund 300m lange Einkaufsmeile. Mamilla war im späten 19. Jahrhundert ein Stadtteil von Jerusalem, doch außerhalb der Altstadt und daher von geringerer Bedeutung für die damalige Bevölkerung. Es war, genau wie heute, Geschäftsviertel und Treffpunkt von jüdischen und arabischen Händlern.

Auf jedem Stein sind zwei Ziffern und ein Buchstabe. (© Matthias Hinrichsen)

Auf jedem Stein sind zwei Ziffern und ein Buchstabe. (© Matthias Hinrichsen)

An diesem Ort ist Einmaliges zu entdecken: Tausende von Fassadensteinen sind unübersehbar mit Ziffern und Buchstaben auf der Sichtfläche beschriftet, ganze Häuser entpuppen sich als Baukastenmosaik und sind in jeglichem Winkel mit dem beschrifteten weißen Jerusalem-Stein bedeckt. Die Geschichte dazu beginnt in den 1930er Jahren. Damals war Mamilla ein geschäftiges, wohlhabendes Handelszentrum, das jäh nach dem Angriff jordanischer Truppen auf Jerusalem im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 zum Armenviertel verkam. Genau an der Waffenstillstandslinie zwischen dem israelischen und jordanischen Sektor Jerusalems gelegen, war es nicht selten Ziel jordanischer Scharfschützen, denn israelische Soldaten hatten sich in den Gebäuden postiert, um ein weiteres Vordringen zu verhindern.

Der Jerusalemer Stadtteil Mamilla im Mai 1949 nach dem Angriff durch jordanische Truppen. (© IDF)

Der Jerusalemer Stadtteil Mamilla im Mai 1949 nach dem Angriff durch jordanische Truppen. (© IDF)

Aus Mangel an geeignetem Wohnraum wurden im Stadtteil Mamilla kurdische Immigranten angesiedelt, eine arme Bevölkerungsgruppe. Immer wieder war Mamilla Ziel von jordanischem Attacken – bis zum Jahr 1967, als israelische Truppen den Ostteil Jerusalems befreiten. Nach 19 Jahren wurde der Stacheldraht endlich entfernt, die Bewohner konnten sich wieder frei bewegen.

Kommunale Pläne zur Wiederbelebung dieses Stadtteils von Jerusalem sahen eine Renovierung vor. Die meisten Gebäude waren so erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden, dass sie abgerissen werden sollten. Es regte sich heftigster Widerstand in der Bevölkerung, vor allem weil das „Stern-Haus“, das eng mit Theodor Herzl verbunden ist, ebenfalls eingeebnet werden sollte. Eine Klage vor dem Obersten Gerichtshof rettete das einmalige Zeugnis israelischer Geschichte.

Fotodokument aus vergangenen Tagen im Mamilla Hotel: Kurz vor dem Abriss der baufälligen Gebäude wurden alle Fassadensteine durchnummeriert. (© Matthias Hinrichsen)

Fotodokument aus vergangenen Tagen im Mamilla Hotel: Kurz vor dem Abriss der baufälligen Gebäude wurden alle Fassadensteine durchnummeriert. (© Matthias Hinrichsen)

Im Jahr 1972 genehmigte Jerusalem den Bau einer Fußgängerzone mit Luxus-Wohnungen und Hotels. Jedes Haus, außer das St. Vinzent von Paul Hospiz, sollte nach den Plänen des israelischen Architekten Moshe Safdie Stück für Stück abgetragen werden und die alten Fassadensteine wiederverwendet werden, um den historischen Charakter zu erhalten. Trotz öffentlicher Proteste wurden über 700 Familien verarmter Einwohner in andere Gegenden umgesiedelt. Es dauerte fast 30 Jahre – Jahre des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auseinandersetzungen – bis mit dem Bau begonnen werden konnte. Bis heute ist ein fader Beigeschmack bei vielen Jerusalemern geblieben.

Theodor Herzl vor dem Sternhaus im Stadtviertel Mamilla.

Theodor Herzl vor dem Sternhaus im Stadtviertel Mamilla.

Sie können ebenso darüber betrübt sein oder das Erschaffene genießen. Das Stern-Haus, in dem sich heute eine Buchhandlung von Israels größter Buchandelskette Steimatzky und ein sehr gutes Restaurant befinden, war für Theodor Herzl Heimat bei seinen Jerusalem-Besuchen und stellt heute den historischen Mittelpunkt der Mamilla Mall dar. Während der Sommermonate präsentieren israelische Künstler ihre Skulpturen , die dann rechts und links des Weges zu bestaunen sind. Wer Interesse am Kauf hat, der ist frei, sich mit dem Künstler in Verbindung zu setzen. Sehr schöne Restaurants und Cafes sind zwischen die Läden gestreut und bilden kulinarische Oasen zwischen all dem glitzernden Angebot. Bei einem Kaffee bis hin zu einem Mehr-Gänge-Menü können Sie wunderbar die Einmaligkeit der historischen Umgebung genießen.

Besucherinformationen
Öffnungszeiten: jederzeit
Zugänge: mehrere von den jeweiligen umliegenden Straßen
Kunst: während der wärmeren Jahreszeit ist die Einkaufsstraße mit Skulpturen und Kunstwerken israelischer Künstler dekoriert

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