„Jew by choice – Wenn Deutsche zum Judentum konvertieren“
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„Jew by choice – Wenn Deutsche zum Judentum konvertieren“

Protagonist Secharjah Schwarzkopf in der Dokumentation

Protagonist Secharjah Schwarzkopf in der Dokumentation "Jew by Choice". (© Beetz Filmproduktion)

24.10.2011 – 5.00 Uhr – arte: Sie haben sich entschlossen, alles hinter sich zu lassen. Familie, Freunde, Sprache, Kultur und ihre alte Konfession. Drei Deutsche, die ehemalige Richterin Yael, der Krankenpfleger Secharjah und Nico, ein 22-jähriger Student aus dem Ruhrpott, der sich zwischen Beruf und Berufung erst noch orientieren muss, sind zum Judentum konvertiert bzw. stehen kurz davor – „Jew by choice“.

Der Dokumentarfilm zeigt die drei Konvertiten in den unterschiedlichen Phasen eines langen Prozesses. Yael und Secharjah sind bereits in Deutschland dem jüdischen Glauben beigetreten. In Israel wollen sie ein Leben als Jude/Jüdin unter Juden erfahren. Nico hingegen will die Stationen der Konversion (Gijur) – Rabbinergericht (Bet Din), Beschneidung (Brit mila) und rituelles Taufbad (Tvila) – in Israel durchlaufen.

„Jew by Choice“ beschreibt die unterschiedlichen, außergewöhnlichen und konfliktreichen Wege zu einem neuen Leben, mit einem neuen Namen, einer neuen Identität. Eine Reise voller Sehnsucht nach erfüllender Spiritualität, nach Zugehörigkeit und nach Heimat. Sechs Monate begleiteten die beiden Schweizer Regisseure David Bernet und Robert Ralston Nico bei seinen ersten Schritten in einem noch fremden Kosmos, der ihn nicht nur herzlich, sondern auch mit großer Skepsis empfängt. In den Augen vieler Deutscher mag dieser Übertritt wie ein unendlich naiver Wiedergutmachungsversuch an dem jüdischen Volk aussehen. Die Kinder der Täter im Staat der Opfer.

Viele Juden in Israel betrachten Konvertiten wie die drei Deutschen jedoch aus einem ganz anderen Grund mit ambivalenten Gefühlen: Jüdisch zu sein, das bedeutet weit mehr als das Bekenntnis zu einer Religion. Es bedeutet mehr, als – im Regelfall – Kind einer jüdischen Mutter und Teil eines Volkes zu sein. Mehr als die Einhaltung religiöser Gesetze und ein Leben nach dem jüdischen Kalender. Denn das Judentum ist nur in seiner Gesamtheit aus Kultur, Tradition und Religion zu verstehen. Und über seine Jahrtausend alte Geschichte voller Pogrome und Verfolgungen und einer aktuellen politischen Situation, durch die die jüdische Identität vor allem von einem geprägt zu sein scheint: von einem gemeinsamen Schicksal.

Wie wollen die Konvertiten in dieser Kultur heimisch werden? Wie wollen sie ankommen in einer Glaubensgemeinschaft, die nicht auf sie gewartet hat und deren Vergangenheit niemals die ihre werden wird? Wie wollen sie sich niederlassen, in einem Staat, der seit seiner Gründung 1948 keinen Frieden findet, in dem Anschläge und militärische Aktionen zum Alltag gehören?

Es wird Jahre dauern bis ein Übergetretener sich im Alltag zurechtfindet, bis er selbstbewusst entscheiden kann, wie streng und orthodox er die religiösen Gesetze auslegen wird. Bis er selbstverständlich weiß, welches Essen koscher ist und wie er es lagert. Ob er auf ein christliches Begräbnis geht, am Sabbat keine Elektrizität und kein Auto benutzt. Und vor allem, wie er seinen Glauben in Einklang mit Besuchen bei den Eltern und all den anderen Begegnungen mit dem „alten“ Leben bringen kann. „Jew by Choice“ ist zu einem außergewöhnlichen Dokument höchst intimer Momente, Gespräche und Beobachtungen geworden. Ein Film über eine schwierige, vielleicht nie endende Ankunft.

Statement der Regisseure

Mit dem Film „Jew by Choice“ haben wir eine Gratwanderung mitten durch die Empfindlichkeiten des deutsch-jüdischen Verhältnisses der Gegenwart unternommen. Unsere Protagonisten sind die ersten deutschen Konvertiten überhaupt, die bereit waren, sich gegenüber der Kamera zu offenbaren. Sie haben diesen Film ermöglicht und uns Einblick gegeben in ein für Außenstehende nur schwer fassbares seelisches Abenteuer.

(David Bernet & Robert Ralston)

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