„Grenz.welten – Eine israelische Kartographengeschichte“
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„Grenz.welten – Eine israelische Kartographengeschichte“

Moshe Brawer, der 92jährige Kartograph aus Tel Aviv. (© ORF)

Moshe Brawer, der 92jährige Kartograph aus Tel Aviv. (© ORF)

26.8.2011 – 22.00-22.30 Uhr – 3sat: Der 92jährige Kartograph aus Tel Aviv kommt gerne nach Wien. Hier wurde er geboren, hier war sein Vater ein angesehener Wissenschafter, der Großvater mütterlicherseits, Mayer Meyerson der Großrabbiner. Und hier in Wien pflegen die Brawers seit Jahrzehnten eine enge Zusammenarbeit mit dem renommierten Atlanten-Verlag Hölzel.

Wenn Moshe Brawer das Globenmuseum in der Herrengasse besucht, steuert er zielbewusst eine Vitrine an: Dort steht der erste, in hebräischer Sprache hergestellte Globus des Abraham Jakob Brawer. Eine Miniaturausgabe stand am Schreibtisch des bereits 1911 nach Palästina ausgewanderten Vaters: „Er hat mir früh erklärt, wie die Welt aussieht und er hat mich bald – lange bevor es den Staat Israel gab – auf kartographische Forschungsreisen mitgenommen.

Ölberg in Jerusalem. (© ORF)“ src=“https://www.israelmagazin.de/wp-content/uploads/2011/08/grenz-welten-300-2.jpg“ alt=“Moshe Brawer auf dem Ölberg in Jerusalem. (© ORF)“ width=“300″ height=“203″ /> Moshe Brawer auf dem Ölberg in Jerusalem. (© ORF)

Es ging um biblische Orte der Stämme Judas in damals arabischen Landen, um Wasserkarten, Grenzverläufe. Bei diesen Expeditionen dienten das Kartenmaterial sowie die ethnographischen Studien des österreichischen Arabienforschers Alois Musil als wertvolle Orientierungshilfe. „Mein Vater pflegte zu den Arabern“, so Moshe Brawer, „beste Kontakte. Als überzeugter Zionist, glaubte er an ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Juden und Arabern in einem Staat Israel. Diese Vision ist nach all den Jahrzehnten des Kämpfens und Leidens zwischen den Israelis und Palästinensern aktueller denn je.“

Die erste Palästinakarte von Jacotin 1799. (© ORF)

Die erste Palästinakarte von Jacotin 1799. (© ORF)

Der Kartograph weiß zu gut wovon er spricht: Moshe Brawer beriet Yitzhak Rabin bei den Friedensverhandlungen mit den Palästinensern; wurde wiederholt von Jassir Arafat über Grenzverläufe kontaktiert. Brawer wird ausgezeichnet. Seine Tochter Orit engagiert sich im Geist des Vaters in der israelischen Friedensbewegung. Doch dann – im November 1995 – die Zäsur im Nahen Osten: Rabin wird von einem ultrareligiösen Juden ermordet. Später gesteht Orit Ben David ihrem Sohn Yotam – dem politisch links engagierten Enkel Brawers: „Mit dem Tod Rabins sind unsere Hoffnungen auf eine friedliche Zukunft gestorben. Danach sind wir in Resignation verfallen.“

Yotam Ben David folgt den Spuren der Mutter: Verlässt die Armee, protestiert mit Palästinensern gegen den Bau der Mauer, gegen den Krieg in Gaza. Letzteres führt zum Familienkonflikt. Denn der gleichaltrige Cousin kämpft in der Armee.

Die Familie Brawer stellt sich im Frühjahr 2011 als israelischer Mikrokosmos dar: Geprägt von polarisierten Gesellschaftsdynamiken, von einer rechtskonservativen Regierungspolitik, die von Leuten wie Moshe Brawer keinen Rat einholen, vom jüdisch-palästinensischen Kommunikationskollaps, von der Ungewissheit, was die arabischen Revolten für Israel bedeuten.

Moshe Brawer resümiert nüchtern: „Diese Regierung glaubt, mit einer expansiven Siedlungspolitik, mit provisorischen Grenzen einen unabhängigen Staat Palästina verhindern zu können. Aber das ist unrealistisch.“

(Text + Fotos: ORF)

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