Täglich in Jerusalem – fehlt nur noch der Ton
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Täglich in Jerusalem – fehlt nur noch der Ton

Bis zur Klagemauer sind die Fotografen von Google vorgedrungen, nur die Araber auf dem Tempelberg haben offensichtlich den Zutritt verweigert. (Google Street View)

Bis zur Klagemauer sind die Fotografen von Google vorgedrungen, nur die Araber auf dem Tempelberg haben offensichtlich den Zutritt verweigert. (Google Street View)

JERUSALEM (im) – Neben einem Ladeneingang sitzen zwei Araber und spielen Backgammon, der eine mit traditioneller Kopfbeckung, der andere sommerlich gekleidet. Ein paar Schritte später zwei weitere Araber – in der einen Hand die Zigarette, die andere Hand in die Seite gestemmt, mit Blick in eine Kamera in luftiger Höhe. Ihre Gesichter sind unkenntlich gemacht, weil es so vorgeschrieben ist. Wir befinden uns auf dem Weg zur Klagemauer, aber nicht live, sondern virtuell mit Google Street View. Seit Sonntag ist für große Städte in Israel der Dienst des Internetgiganten im Internet.

Die Fotos sind die Realität, auch wenn sie für jemanden, der noch nie in Jerusalem gewesen ist, fremdartig erscheinen. Wenn jetzt noch der Ton da wäre … ist aber nicht. So kann der Betrachter erstmal die autentischen Fotos des heutigen Jerusalem, Tel Aviv oder Haifa genießen. Vorteilhaft ist auf jeden Fall, schon einmal dort gewesen zu sein. Dann hört man auch die Stimmen, hat die anderen Emotionen – auch wenn sie nur aus der Erinnerung befeuert werden. Nochmal. Zu schade, der Ton fehlt. Der Widerhall der Schritte in den engen Gassen, das laute Feilbieten von Händlern, das Stimmengewirr und Gesprächsfetzen unterschiedlichster Sprachen.

Selbst die streng gläubigen Juden im Stadtteil Mea Shearim ließen Google herein.(Google Street View)

Selbst die streng gläubigen Juden im Stadtteil Mea Shearim ließen Google herein.(Google Street View)

Schön ist es trotzdem und genial. Jeder kann in eigener Geschwindigkeit vor und zurück gehen, kann alles in Ruhe betrachten, die fremdländischen Angebote vor den Läden, die typischen Menschen der Stadt, Straßenzug um Straßenzug selbst im jüdisch-orthodoxen Viertel Mea Shearim ist nichts verpixelt. Fast nichts also bleibt dem virtuellen Besucher verborgen, doch zum großen Leidwesen eines jeden Jerusalem-Gastes der Tempelberg! Das ist unverständlich wie schade, auch die Al Aqsa-Moschee und der Felsendom bleiben Christen verschlossen, wie auch in der Realität, wo jeder Interessierte grob und überheblich abgewiesen wird. Das zeugt nicht gerade von Gastfreundschaft.

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