Erneuerbare Energien als Leitsystem der Zukunft
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Erneuerbare Energien als Leitsystem der Zukunft

Solaranlage in der israelischen Arava-Wüste. (© BDEW)

Solaranlage in der israelischen Arava-Wüste. (© BDEW)

BERLIN/TEL AVIV (hm) – Auf Nimmerwiedersehen, Atomenergie. Deutschland will die Energiewende – und in Zukunft auf Erneuerbare Energien setzen. Diese müssen einen stetige Versorgung garantieren und erschwinglich sein. „Wir freuen uns darauf, die Zusammenarbeit beim Klimaschutz und im Bereich Erneuerbare Energien mit Israel erfolgreich fortzuführen, Forschungsprojekte anzukurbeln und neue Technologien zu implementieren“, sagt Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Die Energiewirtschaft in Deutschland steht vor einem historischen Umbruch und kann Wegweiser für andere Länder sein. Mit den von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzen zur Energiewende wurde zum ersten Mal seit langer Zeit ein Konsens über grundsätzliche Fragen der deutschen Energiepolitik hergestellt. Der umfassende Umbau des Energiemarktes und die Entwicklung hin zu einer klimaneutralen Erzeugungsstruktur stellt Politik, Wirtschaft und Verbraucher vor immense Herausforderungen. Dabei wächst allmählich bei allen Beteiligten das Verständnis dafür, dass eine rein statische Betrachtung der Stromversorgung nicht mehr ausreicht. Es ist das dynamische Wechselspiel zwischen Erneuerbaren Energien (EE) und konventionellem Kraftwerkspark, aber auch des europäischen Wettbewerbs und Stromaustauschs, das den Blick auf die vor uns liegenden Herausforderungen klarer macht. Ziel ist es, eine sichere Stromversorgung jederzeit und an jedem Ort zu gewährleisten. Bisher sind die deutschen Stromnetze die sichersten in Europa, doch mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien kommt es gleichzeitig zu starken Schwankungen bei der Stromeinspeisung. Schon heute gibt es Tage, da haben wir 80 Prozent erneuerbaren Strom im Netz, und es gibt Stunden, da sind es nur 5 Prozent. Um die gewohnte Versorgungszuverlässigkeit beizubehalten, müssen Stromnetze und Stromspeicher massiv ausgebaut werden.

Erneuerbare decken bereits 20 Prozent des Strombedarfs
Deutschland ist eines der ersten Länder weltweit, das konsequent den Ausbau der Erneuerbaren Energien vorangetrieben und aus Visionen anwendungsfähige Technologien entwickelt hat. Heute decken die EE gut 20 Prozent des deutschen Strombedarfs. Bis zum Jahr 2020 soll ihr Anteil auf 35 Prozent steigen, bis 2050 sogar auf 80 Prozent. Längst gehören die Erneuerbaren zum Kerngeschäft der meisten deutschen Energieunternehmen. Allein mehr als 1.000 Mitgliedsunternehmen des BDEW sind in diesem Bereich tätig – damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag, die wünschenswerten Ausbauziele zu erreichen.

Gesellschaftliche Akzeptanz als Schlüsselfaktor
Fakt ist: Wir sind dabei, das Gesicht unseres Landes dauerhaft zu verändern. Am stärksten deutet sich das durch die großen Windparks an, die überall entstanden sind. Die Zahl der Anlagen hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Und der Trend bricht nicht ab: Die Windenergieanlagen werden größer und zahlreicher. Die Windenergie stellt mit einem Anteil von 7,6 Prozent an der deutschen Stromerzeugung die wichtigste EE dar. Das ist eine hervorragende Leistung, die auch international ihresgleichen sucht. Aber auch neue Netztrassen und Biogasanlagen verändern das Land.

Daher stellt sich die entscheidende Frage für Deutschland und alle anderen Länder: Wird es auch die nötige Akzeptanz für den Bau von erneuerbaren Erzeugungsanlagen geben? Vielerorts haben sich Bürgerinitiativen gebildet, die gegen eine „Verspargelung“ der Landschaft oder neue Stromtrassen aufbegehren. Eine tiefgreifende Infrastrukturskepsis ist hier zu beobachten: Energiewende ja, aber nicht vor meiner Haustür. An dieser Stelle muss das gemeinsame Gespräch gesucht werden. Der BDEW und seine Mitgliedsunternehmen setzen sich dafür ein, Konflikte zu benennen, Branchenlösungen zu erarbeiten und alle Interessensgruppen an der Umsetzung des Energiekonzeptes zu beteiligen. Die Energiepolitik muss derart gestaltet werden, dass alle Schritte für die Bevölkerung transparent und nachvollziehbar sind.

Investitionen in Netze sind unabdingbar
Entscheidend für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren wird sein, wie schnell es gelingt, sie in das bestehende Versorgungssystem einzubinden. Dafür müssen vor allem die Stromnetze – sowohl auf regionaler Verteil- als auch auf überregionaler Übertragungsnetzebene – ausgebaut und neue Techniken entwickelt werden, um den Strom aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse aufnehmen, effizient verteilen und speichern zu können. Hierzu stehen in den kommenden Jahren milliardenschwere Investitionen an. Eine Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft hat einen Ausbaubedarf von bis zu 380.000 Kilometern allein im Verteilnetz ermittelt. Zudem muss ein solcher Netzausbau einhergehen mit der Modernisierung des konventionellen Kraftwerkparks als Ergänzung der EE. Auch beim Bau neuer Netze und konventioneller Erzeugungskraftwerke stellt sich die Akzeptanzfrage innerhalb der Bevölkerung.

Smartes Netz
Die Zeichen stehen in vielen Bereichen auf Veränderung: Bereits heute bereitet die deutsche Energiebranche die intelligente Vernetzung des gesamten Energiesystems vor – von Erzeugung über Speicherung, Transport, Verteilung bis hin zur effizienten Verwendung. Die stark steigende Anzahl von Photovoltaik- aber auch Biomasseanlagen in privater Hand erfordert auf der regionalen Verteilnetzebene neue Stromkabel in Städten und Dörfern. Um den dezentral erzeugten Strom in das Netz einspeisen zu können, ist eine robuste und reibungslose Kommunikation zwischen den Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern nötig. Auch dieses neue „smarte“ Netz, das die Kommunikation zwischen den Haushalten, Netzen und Erzeugungsanlagen ermöglicht, muss erst noch aufgebaut werden.

Neue Technologien können eine stabile Stromversorgung garantieren – sowohl in Deutschland als auch in Israel. (© BDEW)

Neue Technologien können eine stabile Stromversorgung garantieren – sowohl in Deutschland als auch in Israel. (© BDEW)

Die Erneuerbaren haben ihren Preis
Wir dürfen allerdings nicht die Augen davor verschließen, dass der Ausbau der Erneuerbaren nicht zum Nulltarif zu haben ist: Bereits heute liegt der Anteil der staatlichen Steuern und Abgaben am Strompreis für Haushaltskunden in Deutschland durchschnittlich bei 46 Prozent. Dabei zahlen Verbraucher im Jahr 2012 3,590 ct/kWh Strom zur Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren. Die Mehrbelastungen allein aus dieser Umlage liegen 2012 bei 14,1 Milliarden Euro. Die weitere Strompreisentwicklung hängt ganz wesentlich von der Förderung der regenerativen Energien ab sowie von den daraus resultierenden höheren Kosten bei den Netzentgelten. Die deutschen Ausbauziele haben ihren Preis, dennoch müssen die Verbraucher künftig vor einer Kostenexplosion bewahrt bleiben – ohne eine Integration der Erneuerbaren in den Markt wird es daher nicht funktionieren.

Neue Technologien können eine stabile Stromversorgung garantieren – sowohl in Deutschland als auch in Israel.

Chance und Herausforderung
Die deutschen Unternehmen der Energiewirtschaft wollen den Umbau der Energieversorgung. Deutschland gilt seit langem als Technologieführer, wenn es um erneuerbare Energien geht. Die Entwicklung des Marktes in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte und wir setzen alles daran, dass diese effektiv fortgeschrieben wird. Dabei setzen wir auch auf die besondere Beziehung zwischen Deutschland und Israel – speziell bei technologischen Innovationen haben beide Länder stets erfolgreich zusammengearbeitet und sich gegenseitig befruchtet. Allen voran spielen Projekte zur Nutzung erneuerbarer Energien in der Forschung und Produktion, die beide Länder in Kooperation ausüben, eine eminente Rolle. Über viele Jahre wurde eine konstruktive und vielschichtige Art der wechselseitigen Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut, von der beide in jeder Hinsicht profitieren und die ebenfalls die politischen und sozialen Bande festigen.

Die Erneuerbaren sind das Leitsystem der Zukunft, aber dieses Leitsystem muss auch stabil und vor allem bezahlbar sein. Wenn wir hier überzeugende Lösungen finden – gerne auch in Kooperation mit anderen Ländern – dann werden wir international erneut Vorreiter sein; ähnlich wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, das inzwischen über 40 Länder weltweit kopiert haben.

(Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft)

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