Erstes “Hula-Valley-Birdfestival”
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Erstes “Hula-Valley-Birdfestival”

Eine Gruppe Kraniche macht sich noch vor Sonnenaufgang auf, um ihren Zug fortzusetzen. (© Thomas Krumenacker)

Eine Gruppe Kraniche macht sich noch vor Sonnenaufgang auf, um ihren Zug fortzusetzen. (© Thomas Krumenacker)

TEL AVIV (im) – „Vögel kennen keine Grenzen und das kann uns Vorbild sein“, so beschreibt Yossi Leshem, Professor an der Tel Aviver Universität und Vorreiter ungezählter Naturschutzprojekte, das Motto seiner Arbeit für Naturschutz und Völkerverständigung im Nahen Osten. Israel liegt im Zentrum des weltweit wichtigsten Vogel-Zugkorridors entlang des syro-afrikansichen Grabenbruchs. Hier, an der Schnittstelle dreier Kontinente, ziehen zweimal im Jahr geschätzt 500 Millionen Vögel entlang, darunter viele, die in Deutschland brüten. Auf israelischer Seite ist das Hula-Tal, am Fuße der Golan-Höhen an den Grenzen zu Syrien, Jordanien und dem Libanon Kerngebiet in dieser Zugroute. Es zählt zu den wertvollsten Schutzgebieten weltweit. Dort fand nun erstmals eines der größten internationalen Naturschutz-Festivals statt, das „Hula Valley Bird Festival“.

„Schlangenadler“ von Zev Labinger. (© Zev Labinger)

Eine Woche lang trafen sich Künstler, Fotografen, Wissenschaftler und Vogelbeobachter im Hula-Tal zu Vorträgen, Diskussionen und Workshops. Dabei ging es nicht nur um Vögel. „Wie kann die Region ungeachtet aller politischen Probleme ihre weltweit einmalige Bedeutung für den Naturschutz bewahren und auch dazu nutzen, die Verständigung über die Grenzen hinweg zu fördern?“, formuliert Dan Alon, Chef der israelischen Ornithologenvereinigung eine der Kernfragen vieler Runden. Für Alon ist die Antwort klar. „Förderung des Ökotourismus, Austausch zwischen Israel, Palästinensern und Jordaniern besonders im Jugendbereich und Lobbyarbeit gegen Naturzerstörung im eigenen Land“, sagt der Mann, der für sein Umweltengagement vom „Time Magazine“ mit dem Ehrentitel “Held des Planeten” ausgezeichnet wurde.

Alon und seinen Mitstreitern gelang es erst kürzlich, den Zuschlag für ein 10-Millionen-Dollar-Programm der Regierung zu erhalten, mit dem im ganzen Land Anlaufpunkte für Naturtouristen, insbesondere Vogelbeobachter, geschaffen werden sollen. „Wir haben trotz aller Probleme eine Vielfalt an Naturlandschaften und Tierartenreichtung zu bieten, wie kaum ein anderes Land„, sagt Alon. Hunderttausende Besucher – noch zumeist einheimische – strömen jährlich in das Hula-Tal, um am Agmon – dem renaturierten Moorsee – den abendlichen Einfall von Zehntausenden Kranichen, Reihern und Pelikanen zur nächtlichen Rast im flachen Wasser zu bestaunen. Mit erstem Morgenlicht erhebt sich die vielstimmige Schar zum Weiterzug oder zur Nahrungssuche aus dem mächtigen Schatten der Golanhöhen – ein Paradies auch für Naturfotografen.

Mehr als 30.000 Kraniche, darunter viele Vögel aus Deutschland, legen im Hula-Tal eine Rast auf dem Zug ins afrikanische Winterquartier ein. (© Thomas Krumenacker)

Mehr als 30.000 Kraniche, darunter viele Vögel aus Deutschland, legen im Hula-Tal eine Rast auf dem Zug ins afrikanische Winterquartier ein. (© Thomas Krumenacker)

Weltruf bei Naturfotografen
Ein Workshop internationaler Naturfotografen war Teil des Festivals und präsentierte die Ergebnisse der einwöchigen Arbeit im Gebiet. Das Fazit der Teilnehmer war überwältigend. „Einer der besten Geheimtipps für Fotografen weltweit“, bilanziert der französische Profi-Fotograf Christian Boussut, der unter anderem für die Vereinten Nationen und den WWF beinahe alle Nationalparks der Erde fotografiert hat. Während sich Vogelbeobachter und Fotografen in der Natur erfreuen, tagen die Teilnehmer der Wissenschaftler-Konferenz im Konferenzhotel. Vorgestellt wird ein auch aus Deutschland gefördertes Projekt zur Zusammenarbeit von Landwirten im Jordantal über Grenzen hinweg: Das fruchtbare Tal ist für Palästinenser, Israelis und Jordanier gleichermaßen eine Art Kornkammer und entsprechend bedeutsam für die Lebensmittelwirtschaft.

Entsprechend intensiv war der Einsatz von Pestiziden gegen Nagetiere in den vergangenen Jahrzehnten. Die Folge: Viele der durchziehenden Vögel und just auch die heimischen Eulen, die sich von den Nagern ernährten, wurden unbeabsichtigt vergiftet, während sie auf den Feldern jagten. Um die biologische Schädlingsbekämpfung wieder in Gang zu bringen, startete die israelischen Vogelkundler ein „Wohnungsprogramm„; sie brachten hunderte Nistkästen für Schleiereulen an, um die Vögel in großer Dichte anzusiedeln. Heute, zehn Jahre nach dem Projektstart, stehen 2600 Nistboxen auf israelischem, jordanischen und palästinensischem Gebiet entlang des Jordantals. Der Giftverbrauch konnte im zweistelligen Tonnenbereich in jedem Jahr reduziert werden. Seit mehr als fünf Jahren nehmen jordanische und palästinensische Farmer an dem Projekt teil. Ebenso wichtig, wie der Naturschutzaspekt: Die Bauern aus den drei aneinandergrenzenden Gebiete treffen sich nun regelmäßig, um das Projekt weiterzuentwickeln – und um wechselseitige Vorurteile abzubauen.

Kraniche im Morgennebel über dem Hula-Tal. (© Thomas Krumenacker)

Kraniche im Morgennebel über dem Hula-Tal. (© Thomas Krumenacker)

„Die Schleiereule ist unsere Friedenstaube“, sagt der Palästinensische Vertreter Imad Atrash. Während der Naturschutzgedanke in Israel eine starke Lobby hinter sich hat, mühen sich Atrash und seine Verbündeten in den Palästinensergebieten, die Fundamente für einen besseren Naturschutz zu legen. „Leider kommt dem Umweltschutz bei uns angesichts vieler anderer Probleme nicht die Aufmerksamkeit zu, die er verdiente“, sagt Atrash. Dennoch zeigt die Graswurzelarbeit auch hier erste Früchte. Ein Lehrplan für Kinder wurde jüngst entwickelt. „Biologische Vielfalt kennen und schützen lernen“, ist das Curriculum überschrieben, das für 13 bis16-jährige Kinder etwa Ausflüge zum Vogelbeobachten vorsieht.

(Thomas Krumenacker – www.krumenacker.de)

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