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Die „Weiße Stadt“ in Tel Aviv mit über 4.000 Gebäuden ist Unesco-Weltkulturerbe. (© Matthias Hinrichsen)

Die „Weiße Stadt“ in Tel Aviv besteht aus mehr als 4.000 Häuser, die in den 1930er- bis 1950er-Jahren überwiegend im Internationalen Stil mit markanten Bauhaus-Elementen errichtet worden sind. Die Architekten waren jüdisch-stämmig, die Europa nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 Richtung Israel verlassen haben oder vielmehr mussten, um nicht ermordet zu werden. Die verbreitete Ansicht, dass die überwiegende Mehrheit deutsche Juden waren, hat sich als falsch erwiesen. Vielmehr kam die überwiegende Zahl der Immigranten aus Osteuropa. Die Bezeichnung „Weiße Stadt“ basiert auf den weiß getünchten Fassaden, die sich von den vorhandenen Baustilen der damaligen Zeit erheblich unterschieden. Zu weltweiten Ehren gelangte die „Weiße Stadt“, als sie 2003 zum UNESCO-Welterbe ernannt wurde.

Die Lage Tel Avivs am Mittelmeer ist für die Bausubstanz der Gebäude ziemlich nachteilig. Die relativ hohe Salzkonzentration in der Luft sowie die hohe Luftfeuchtigkeit beanspruchen Materialien aller Art übermäßig, sodass diese in der Folge korrodieren oder verwittern. In der Entstehungszeit der „Weißen Stadt“ waren diese natürlichen Phänomene weniger von Bedeutung, vielmehr musste zweckmäßiger Wohn- und Lebensraum geschaffen werden. Da kamen die Bauhaus-Architekten gerade recht. Dass von den Architekten, die der Tel Aviv einen neuen Zeitgeist einhauchten, nur die wenigsten die Dessauer Kunstschule besucht hatten, geht heute in der Bauhaus-Euphorie des 100-jährigen Jubiläums 2019 so ziemlich unter. Viele kamen sie aus Osteuropa, vorwiegend Polen und der Ukraine, und erwarben ihre architektonischen Kenntnisse an den Universitäten von Paris, Prag, Gent und Brünn.

Der Bauhaus-Stil ist schnörkellos, geradezu minimalistisch und nur auf den Zweck der Nutzung – also Funktionalität – ausgerichtet, kurz „Form folgt der Funktion“. Im Abwandlung zu den reinen Bauhaus-Bauten in der deutschen Heimat, musste die Fassade den höheren Temperaturen im damaligen Palästina angepasst werden. Finanzen waren auch nicht gerade üppig vorhanden, schlichte Bauten konnten so in größerer Stückzahl und kürzerer Zeit auf dem unbebauten Grund der Mittelmeerstadt errichtet werden. Die Fenster weniger hoch und bis zu schlitzartig wirkenden Öffnungen, damit sich das Innere durch verringerte Sonneneinstrahlung weniger aufheizen konnte. Das kubische Grundmerkmal wurde vermehrt mit markanten Rundungen ergänzt und aufgebrochen und damit eine visuelle Extravaganz geschaffen, die Bauhaus-typische Glasfassade fand ihre Anwendung Bebänderung in der Außenwand, um den dahinter liegenden Treppenhäusern eine Lichtflut anzugedeihen. Auch wenn mit dem Begriff „Bauhaus“ in Tel Aviv geworben wird, so muss eben wegen dieser Abwandlungen vom „Internationalen Stil“ gesprochen werden, wie er auch von der Unesco in der Verleihung als Welterbe benannt wird. Bauhaus ist ein Teil des Internationalen Stils.

Das Dilemma der 4.000 Gebäude sind die Wettereinflüsse, der mangelnde Renovierungswille und fehlende finanzielle Mittel, die vorzugsweise in den Aufbau und die Entwicklung des jungen Staates flossen. Inzwischen haben wohlhabende Israelis ihre Wurzeln im Land entdeckt und wollen es bewahren, weil es für die nationale Identität unbedingt notwendig ist. Um das architektonische Erbe zumindest teilweise zu erhalten, wurden 2009 rund 1.000 Häuser unter Denkmalschutz gestellt. Dazu gibt es Vereinbarungen mit den Baubehörden, dass Hochhäuser unter der Bedingung errichtet werden, wenn dafür ein in unmittelbarer Nähe befindliche historisches Gebäude von Grund auf restauriert und erhalten bleibt. So kann sich die Stadt baulich weiter entwickeln und Israelis und Besucher bekommen einen Bezug zu den Anfängen des Staates. Blickt man auf die Geschichte des jüdischen Volkes, mussten sie in den Jahrtausenden der Wanderung, des Vertriebenwerdens, immer wieder alles verlassen, was ihnen lieb geworden war. Nach über 1.900 Jahren Umherirren haben sie endlich wieder ihren eigenen Staat. Das Wichtigste waren die Aufbaujahrzehnte, seit einiger Zeit kommt die Bewahrung des sichtbaren Heimischwerdens.

„Weiße Stadt“ – Geschichte

Als die „Weiße Stadt“ Ende der 1920er Jahre empor wuchs, war Tel Aviv knapp 20 Jahre jung – eine kleine Siedlung jüdischer Einwanderer vor den Toren Jaffas, gegründet von 66 Familien. Meir Dizengoff, 1921 bis 1936 Bürgermeister von Tel Aviv, beauftragte 1925 den schottischen Stadtplaner Patrick Geddes mit dem Entwurf eines Masterplans für die schnell wachsende Stadt. Geddes entwarf das Straßennetz und die Anlage von Häuserblöcken und Raumnutzung, ein bestimmter Baustil wurde ließ er zu diesem Zeitpunkt noch offen. In den 1930er-Jahren begannen eine kleine Zahl jüdischer Architekten, die ihre Ausbildung am Bauhaus Dessau erhalten hatten, dem neuen Stadtviertel eine moderne architektonische Richtung zu geben, die erst in Deutschland am Bauhaus entstanden war. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Deutschen Reich, erstickte das junge Bauhaus-Bestreben im Keim. Insbesondere durch das Inkrafttreten des Reichsbürgergesetzes im Jahr 1935, wurde Juden in Deutschland die Ausübung in immer mehr Berufen verboten, in der Bevölkerung wurde der Hass gegen die jüdische Bevölkerung geschürt, immer mehr Repressalien wurden Juden im Deutschen Reich ausgesetzt. Wer die Zeichen der Zeit erkannte, floh aus Deutschland, nach Amerika, in andere europäische Staaten oder in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina. Das von Gott seinem Volk verheißene Land, das sich gerade – initiiert durch Theodor Herzl – im Entstehen als Heimat des jüdischen Volkes befand, hatte viel Platz und nur wenig Bevölkerung.

„Weiße Stadt“ – Lage

Die „Weiße Stadt“ erstreckt sich zwischen den Straßen Allenby Straße im Süden bis zum Jarkon-Fluß im Norden, sowie zwischen dem Derekh Begin im Osten bis zum Mittelmeerufer im Westen. Die meisten und schönsten Gebäude im Internationalen Stil befinden sich vor allem auf dem Rothschild Boulevard und in der Umgebung  des Dizengoff-Platzes, benannt nach dem einstigen Tel Aviver Bürgermeister. Im Norden der „Weißen Stadt“ befinden sich die Jehoshua Gärten (der Jarkon Park) – eine riesige Parkanlage am Ufer des Jarkon Flusses mit verschiedensten Attraktionen – und in ihrem äußersten Nordwesten der Hafen Tel Aviv, der heute Restaurants und Clubs beherbergt.

Besucherinformationen

„Weiße Stadt“ – White City

Die Gebäude verteilen sich über eine große Fläche innerhalb der Stadt Tel Aviv.

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