Weizmann Institut: Blutzuckerspiegel verändert sich individuell
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Weizmann Institut: Blutzuckerspiegel verändert sich individuell

Die umfassendste Studie über die Auswirkungen von Nahrungsaufnahme auf den Blutzuckerspiegel zeigt, dass jeder Menschen unterschiedlich auf Nahrung reagiert. (© Matthias Hinrichsen)

Die umfassendste Studie über die Auswirkungen von Nahrungsaufnahme auf den Blutzuckerspiegel zeigt, dass jeder Menschen unterschiedlich auf Nahrung reagiert. (© Matthias Hinrichsen)

REHOVOT (wi) – Was hebt den Blutzuckerspiegel an: Sushi oder Eiscreme? Eine Forschungsstudie des Weizmann Instituts, über die am 19. November im Magazin Cell berichtet wurde, besagt, dass die Antwort bei verschiedenen Personen sehr unterschiedlich ausfallen kann. Eine Woche lang wurde bei 800 Testpersonen der Blutzuckerspiegel überwacht und die Studie enthüllte, dass jeder Körper sehr individuell auf die verschiedenen Nahrungsmittel reagiert. Die bisher umfassendste Studie auf diesem Gebiet deutet auf die Notwendigkeit von individuell angepassten Diätempfehlungen hin.

Die Forschungsstudie, genannt „Personalized Nutrition Project“ (www.personalnutrition.org), wurde von den Forschungsteams unter Prof. Eran Segal im Fachbereich Informatik und Angewandte Mathematik und Dr. Eran Elinav im Fachbereich Immunologie durchgeführt. Segal meinte: „Wir haben beschlossen, uns auf den Blutzucker zu konzentrieren, weil ein Anstieg des Blutzuckerspiegels ein Risikofaktor für Diabetes, Fettsucht und das metabolische Syndrom ist. Die riesigen Unterschiede, die sich bei den verschiedenen Testpersonen zeigten, die genau dieselben Mahlzeiten zu sich nahmen, erklären, warum dem Menschen eine individuell angepasste anstelle einer universellen Diätempfehlung besser helfen kann.“ Die Wissenschaftler fanden in der Tat heraus, dass verschiedene Personen sehr unterschiedlich auf einfache und komplexe Mahlzeiten reagierten. Bei einer großen Zahl der Testpersonen stieg z.B. der Blutzuckerspiegel stark an, nachdem sie eine Standardglukosemahlzeit einnahmen, bei vielen anderen hingegen stieg der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr von Weißbrot stark an, nicht aber bei Glukoseaufnahme. Elinav: „Unser Ziel war es anhand dieser Studie die Faktoren zu finden, die der individuellen Reaktion der Glukose im Blut auf Speisen zugrunde liegt. Wir benutzten die Information um individuelle Diätempfehlungen zu entwickeln, die dabei helfen Fettsucht und Diabetes zu verhindern und zu behandeln, denn diese Krankheiten stellen die größte Epidemie in der Geschichte des Menschen dar.“

David Zeevi und Tal Korem, PhD-Studenten in Segals Labor, leiteten diese Studie. Sie arbeiteten mit Dr. Niv Zmora zusammen, einem Arzt, der derzeitseine PhD-Studien in Elinavs Labor durchführt, sowie mit PhD-Studentin Daphna Rothschild und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin in Segals Labor, Dr. Adina Weinberger. Die Forschungsstudie war einzigartig in ihrem Umfang und ihrer Analyse der Darmmikroben, die gewöhnlich Mikrobiome genannt werden und die – wie sich erst kürzlich gezeigt hat – eine wichtige Rolle im gesunden und kranken Menschen spielen. Die Teilnehmer an der Studie wurden mit kleinen Monitoren ausgestattet, die laufend ihre Blutzuckerspiegel aufzeichneten. Sie wurden darüber hinaus gebeten, genau Buch zu führen über ihre Nahrungsmittel, die sie zu sich nahmen, ihren Schlaf und ihre sportliche Betätigung. Insgesamt bewerteten die Wissenschaftler die Reaktion verschiedener Personen auf mehr als 46.000 Mahlzeiten.

Unter Berücksichtigung dieser vielen Faktoren entwickelten die Wissenschaftler einen Algorithmus zur Vorhersage der individuellen Reaktion auf Nahrungsmittel, basierend auf dem Lebensstil, dem medizinischen Hintergrund und der Zusammensetzung und Funktion der Mikrobiome einer Person. In einer Nachfolgestudie von weiteren 100 Testpersonen hat der Algorithmus den Anstieg des Blutzuckerspiegels in Reaktion auf verschiedene Nahrungsmittel erfolgreich vorhergesagt, was zeigte, dass er sich wiederum bei neuen Testpersonen anwenden lässt. Die Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass der Lebensstil ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Dasselbe Nahrungsmittel beeinträchtigt den Blutzuckerspiegel in ein und derselben Person ganz unterschiedlich, und zwar hängt dies davon ab, ob die Nahrungsaufnahme auf Schlaf oder sportliche Betätigung folgte.

In der Endphase der Studie konzipierten die Wissenschaftler einen Eingriff in die Diät entsprechend ihres Algorithmus. Damit testeten sie ihre Fähigkeit, geeignete individuelle Diätempfehlungen zur Senkung des Blutzuckerspiegels in Reaktion auf Nahrungsaufnahme machen zu können. Den Testpersonen wurde eine Woche lang eine „gute“ individuell angepasste Diät verschrieben und für eine weitere Woche eine ebenfalls individuell angepasste „schlechte“ Diät. Beide Diäten, sowohl die gute als auch die schlechte, basierten auf derselben Kalorienzahl, aber sie waren je nach Teilnehmer unterschiedlich. Somit waren bestimmte Nahrungsmittel bei der einen Testperson Teil der „guten“ Diät und bei anderen Testpersonen Teil der „schlechten“ Diät. Die „guten“ Diäten bewirkten in der Tat eine Senkung des Blutzuckerspiegels auf ein gesundes Niveau, während „schlechten“ Diäten zumeist ein plötzlicher Anstieg des Blutzuckers folgte, und zwar innerhalb nur einer Woche nach einem solchen Eingriff in die Nahrungszufuhr. Darüber hinaus wurden bei den Testpersonen nach der „guten“ Diät bleibende Veränderungen in der Zusammensetzung ihrer „guten“ Mikroben festgestellt. Demnach scheinen sich Mikrobiome von individuell angepassten Diäten beeinflussen zu lassen und spielen somit auch eine Rolle in der Blutzuckerspiegelreaktion der Testpersonen.

Hier ist ein Link zur Videoanimation zur Veranschaulichung der Studie: https://www.youtube.com/watch?v=Ryc5M3Ciytg&feature=youtu.be
Die Wissenschaftler registrieren derzeit israelische Volontäre für eine Langzeit-Nachfolgestudie über den diätetischen Eingriff, die sich auf Testpersonen mit anhaltend hohen Blutzuckerspiegeln konzentriert, die dem Risiko unterliegen an Diabetes zu erkranken. Mit dieser Studie soll sich diese Krankheit entweder verhindern oder aufschieben lassen. Bitte besuchen sie die folgende Internetseite, um mehr darüber zu erfahren: www.personalnutrition.org.

An der Forschungsarbeit waren beteiligt: Orly Ben-Yacov, Dar Lador, Dr. Tali Avnit-Sagi, Dr. Maya Lotan-Pompan, Elad Matot, Gal Malka, Noa Kosower, Michal Rein und Rony Bikovsky in Segals Labor sowie Jotham Suez, Jemal Ali Mahdi, Gili Zilberman-Schapira, Lenka Dohnalova und Dr. Meirav Pevsner-Fischer aus Elinavs Labor und Dr. David Israeli vom Jerusalem Center for Mental Health und Prof. Zamir Halpern vom Tel Aviv Sourasky Medical Center.

Das Weizmann Institut in Rehovot, Israel, gehört weltweit zu den führenden multidisziplinären Forschungseinrichtungen. Seine Wissenschaftler, Studenten, Techniker und anderen Mitarbeiter sind in einem breiten Spektrum naturwissenschaftlicher Forschung tätig. Zu den Forschungszielen des Instituts gehören neue Möglichkeiten im Kampf gegen Krankheit und Hunger, die Untersuchung wichtiger Fragestellungen in Mathematik und Informatik, die Erforschung der Physik der Materie und des Universums und die Entwicklung neuer Werkstoffe und neuer Strategien für den Umweltschutz.

(Weizmann Institut)

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